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Luft raus?

Ist 2023 an den Aktienmärkten bereits gelaufen?

Trotz täglicher Krisenmeldungen haben die Aktienmärkte den positiven Trend aus dem letzten Quartal 2022 im 1. Halbjahr des laufenden Jahres fortgesetzt. Hauptgewinner waren der DAX und der Tech-Sektor. Ist damit das Börsenjahr 2023 bereits gelaufen?

 

Trotz der Höchststände bei einzelnen Indizes und Aktien in 2023 haben sich viele Anlegerdepots unterdurchschnittlich entwickelt oder liegen sogar immer noch  im Minus. Das zeigt, wie anspruchsvoll das Umfeld für die Aktienmärkte tatsächlich war. Die Marktbreite war nicht gegeben.

„Tatsächlich sind US-Aktien bisher im 1. Halbjahr nicht gestiegen, wenn man aus den US-Indizes ein halbes Dutzend hoch gewichteter Wachstumsaktien herausrechnet. In diesem Jahrhundert war es die schmalste Hausse mit den wenigsten gestiegenen Aktien.“ (Dr. Jens Erhardt, Vorstandsvorsitzender der DJE Kapital AG und Fondsmanager)

Auf nur wenige Aktien zu setzen, ist aber gegen alle Regeln der Risikovorsorge und widerspricht somit dem Prinzip der Diversifizierung. Doch gerade defensive Titel sind in der ersten Jahreshälfte kaum gelaufen. Kommt für sie das große Comeback in der zweiten Jahreshälfte? Optimismus jedenfalls ist eine Menge im Markt, vielleicht sogar zu viel. Denn die aktuelle Verknappung der liquiden Mittel durch die geänderte Politik der Notenbanken führt zu einem deutlichen Rückgang der Geldmenge, was Gift für die Aktienmärkte ist. Bisher sind in der jüngsten Geschichte immer nur die Zuwächse der Geldmenge gesunken, aktuell aber ist die Geldmenge selbst rückläufig.

Dazu kommen konjunkturelle Faktoren, die deutlich abbremsen, sowie saisonale Effekte. Denn 2023 ist in Amerika ein Vorwahljahr. Während in den Präsidenten­wahljahren selbst in den 123 Jahren zwischen 1900 und 2022 der Dow Jones durchschnittlich um 5,89 % stieg, waren es in den Vorwahljahren im Schnitt sogar 9,03 %. Aber: Das Plus resultierte meist aus den ersten Monaten! Die zweite Jahreshälfte war oft von einem Rückgang bis Ende November gekennzeichnet, bevor es dann zum Jahresende wieder nach oben ging. Unten stehender  saisonaler Chart zeigt dies eindrücklich. Er berücksichtigt nur jedes vierte Jahr und zeigt damit den durchschnittlichen Verlauf nur der Vorwahljahre. Die Werte wurden aus dem Durchschnitt der Erträge der 31 Jahre errechnet, die vor der US-Präsidentschaftswahl lagen. Die horizontale Achse weist den Zeitpunkt im Jahr aus, die vertikale Achse den Stand des saisonalen Index. Aktuell hat die Bonitätsabstufung der USA die saisonale Schwächephase für das Jahr 2023 quasi eingeläutet.

Auch der deutsche Leitindex steckt mitten im Sommerloch. Anleger müssen bei den deutschen Blue Chips wohl noch bis Oktober mit einer Korrektur rechnen, bevor die Jahresendrallye einsetzt. Denn seit Anfang des Jahrtausends ist der DAX zwischen Mai und Oktober in 19 von 23 Fällen (dies entspricht einer Quote von 83 %) um mindestens 10 % von seinem jeweiligen Hoch gefallen. Der Maximalverlust lag in dieser Zeit übrigens bei –50,9 % im Jahr 2002 und der geringste Abschlag mit –7,3 % in 2005, der Median bei -14 %. Da der DAX im laufenden Jahr am 8. August bei 15.706 Punkten sein bisheriges Tief markierte, zeigt er damit gerade einmal einen Rückgang von –5 %. Setzt man als Minimalziel ein Korrekturpotenzial von –7,3 % an, würde der deutsche Leitindex mit 15.322 Punkten fast punktgenau ein offenes Gap schließen  und auf seine steigende 200 Tage-Linie aufsetzen. Dies oder Kurse darunter wären eine ideale Ausgangslage für einen erfolgreichen Turnaround und damit für steigende Kurse zum Jahresende.

Etwas mehr Vorsicht scheint in den nächsten Wochen generell angebracht zu sein, da der Korrekturmodus an den Aktienbörsen gerade erst begonnen hat. Am Ende sollte  sich das Börsenjahr 2023 aber mit wieder steigenden Kursen verabschieden.