Ob Pauschalreisen oder Lastminute-Angebote – seit 178 Jahren steht Thomas Cook für günstiges und sicheres Reisen von der Stange. Doch nun ist ausgerechnet der Erfinder der Pauschalreisen pleite. Was am 5. Juli 1841 für 500 Reisende mit einer Zugfahrt von Leicester nach Loughborough begann, endete Anfang dieser Woche für 600.000 Urlauber mit einem bösen Erwachen. Nachdem auch die letzten Rettungsversuche für die Thomas Cook Group plc am Wochenende gescheitert waren, hatte die Gesellschaft auf eine Notgeschäftsführung umgestellt. Flüge wurden gestrichen, der Verkauf von Reisen gestoppt und Tausende Urlauber wussten nicht, wie sie nach Hause kommen sollten.
Während die britische Regierung eine groß angelegte Rückholaktion für 150.000 Urlauber in Gang gesetzt hat, ist für deutsche Urlauber die Situation unklarer. Der deutsche Staat ist nicht zuständig, sondern der jeweilige Pauschalreisenversicherer. Im Fall von Thomas Cook ist das der Schweizer Versicherungskonzern Zurich. Da aber die deutsche Tochter von Thomas Cook bislang offiziell noch keine Insolvenz angemeldet hat, sei der Versicherungsfall noch nicht eingetreten, so ein Zurich-Sprecher. Für eine Rückholaktion von Condor-Kunden oder eine Schadenersatzzahlung bestehe also bisher keinerlei Notwendigkeit. Trotzdem setzen manche Hotels die Kunden des insolventen Unternehmens oder einer seiner Tochtergesellschaften einfach vor die Tür, offenbar wegen ausgebliebener Zahlungen. Zu den Veranstaltertöchtern gehören die Marken Neckermann Reisen, Bucher Last Minute, Öger Tours, Air Marin und Thomas Cook Signature. Andere Urlauber konnten ihre Reise dagegen gar nicht erst antreten, da aus versicherungsrechtlichen Gründen keine Reisenden, die mit Thomas Cook gebucht haben, von den Airlines an ihr Reiseziel gebracht werden dürfen, erst recht nicht von Condor selbst.
Die Krise von Thomas Cook hat sich schon lange angedeutet. Schon seit Jahren lief das Reisegeschäft nicht mehr rund. Dazu kamen eine milliardenschwere Abschreibung auf ein britisches Tochterunternehmen, die Unsicherheit durch den Brexit und der Wertverlust der britischen Währung. Das schwache Pfund hat Auslandsreisen für die Briten teurer gemacht und ihnen die Reiselust verdorben. Mit diesen Schwierigkeiten im Gepäck wurde der Reiseveranstalter schließlich auch zum lukrativen Spekulationsobjekt großer Hedgefonds. Und wieder geht es dabei um Kreditausfallversicherungen, die sog. Credit Default Swap (CDS). Sie hatten bereits als Mit-Auslöser der Finanzkrise 2008 traurige Berühmtheit erlangt und waren daraufhin teilweise auch verboten worden. Doch sie waren nie vollständig vom Finanzmarkt verschwunden und gehören schon längst wieder zum ganz großen Geschäft.
Ein CDS schützt seinen Besitzer zunächst wie eine Kreditausfallversicherung vor dem Totalverlust des geliehenen Kapitals, z. B. im Falle der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Für diese Absicherung zahlt der Gläubiger einen bestimmten Betrag an seine Bank, damit diese im Falle des Zahlungsausfalls des Schuldners einspringt. Je höher die Prämie (Swap), desto höher ist das mögliche Ausfallrisiko des Emittenten. Ausgerechnet diese Wertpapiere sollen nun über die Frage entschieden haben, ob Thomas Cook weiterleben oder sterben soll. Dabei wäre ein Überleben durchaus möglich gewesen: Der chinesische Hauptaktionär Fosun und die von der Royal Bank of Scotland angeführten Gläubigerbanken waren bereit, jeweils weitere 450 Mio. Pfund in das Unternehmen zu pumpen. Dagegen standen jedoch die Interessen der Hedgefonds TT International, Whitebox Advisors, Kite Lake Capital, Melgart und Silver Point. Sie alle besitzen Thomas Cook-Anleihen und haben diese gegen einen Zahlungsausfall abgesichert. Im Sterbefall des Reiseveranstalters bekommen sie die vollen Versicherungssummen ausbezahlt. Da der Rettungsplan eine Umwandlung der Cook-Anleihen in Aktien vorsah und somit die CDS-Verträge dann verfallen wären, sollen die Fonds eine Notrettung verhindert haben. Der Plan ging auf: Für die Zocker ist bald Zahltag, während für 21.000 Thomas Cook-Mitarbeiter bald ihr letzter Arbeitstag beginnt und für Hunderttausende Urlauber hoffentlich bald ein Reise-Albtraum endet.