Bis Ende 2019 gab es an der Börse nur zwei Werte, die über eine Billion Dollar „schwer“ waren: Apple mit einer Marktkapitalisierung von knapp 1,4 Billionen Dollar, gefolgt von Microsoft mit gut 1,2 Billionen Dollar Marktwert. Allein nur diese beiden Tech-Aktien zusammen sind fast 400 Milliarden Dollar mehr wert als der gesamte deutsche Aktienmarkt. Kürzlich ist auch der Suchmaschinen-Anbieter Google dem Billionen-Club beigetreten, und Amazon steht kurz davor. Zusammen mit der Facebook-Aktie bringen die fünf großen US-Tech-Werte die exorbitante Marktkapitalisierung von sage und schreibe 5,3 Billionen Dollar auf die Waage. Damit sind diese fünf Unternehmen 40 % mehr wert als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik Deutschland und fast dreimal so viel wert wie alle deutschen Aktien.
Die deutschen Blue Chips haben demnach den Anschluss an die Weltspitze verloren, obwohl sie 2019 erneut Rekordumsätze erwirtschafteten. Wie aus einer aktuellen Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY) für den Zeitraum Januar bis September 2019 hervorgeht, legte der Gesamtumsatz der 100 größten deutschen Konzerne um gut 4 % auf knapp 1,3 Billionen Euro zu. Trotzdem sank bei 53 % der Unternehmen der Gewinn deutlich und 60 % wiesen eine niedrigere Gewinnmarge als im Vorjahreszeitraum aus. Die kumulierte Gewinnmarge sank von 8,2 auf 6,4 % und damit auf den niedrigsten Stand seit 2015.
Obwohl gerade die Autoindustrie ein weiteres schwieriges Jahr hinter sich hat, werden jedoch sowohl das Umsatz- als auch das Gewinnranking in Deutschland weiterhin von den großen Autokonzernen angeführt: Volkswagen, Daimler und BMW bleiben unangefochten die umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen des Landes. Selbst beim Gewinn führt Volkswagen deutlich vor der Deutschen Telekom, Siemens, BMW und Daimler. Der Wolfsburger Autobauer ist mit 642.000 Mitarbeitern zum 30. September 2019 (das sind 1,6 % mehr als ein Jahr zuvor) auch nach wie vor der größte Arbeitgeber hierzulande. Dies erscheint umso erstaunlicher, da die Automobilbranche in den ersten neun Monaten 2019 ein Wachstum von nur 2 % aufwies und auch in Summe mit Margen von 5,5 % weit hinter denen der jüngeren Unternehmen zurückblieb.
Im Umsatzranking zwar nur auf Platz 87 schlägt der Göttinger Pharma- und Laborzulieferer Sartorius mit einer Ebit-Marge von knapp 27 % allerdings die alten Platzhirsche um Längen und hat sich damit zum profitabelsten Unternehmen in Deutschland gemausert. Ebenfalls stark überdurchschnittliche Margen erzielen Wirecard mit 23 % und Fraport mit immerhin noch 21 %.
Als Wachstumsmotor wurde die Automobilindustrie ebenfalls längst abgelöst. Hier liegt die IT-Branche (so wie auch weltweit) erneut vorn. Die fünf im Top-100-Ranking vertretenen IT-Unternehmen konnten ihren Umsatz um 21 % steigern. Dahinter folgt der Gesundheitssektor mit einem Wachstum von 10 %. Klassische Industriekonzerne legten um 4 % zu und somit immer noch doppelt so stark wie die Automobilindustrie. Doch gerade in der Old Economy befinden sich viele Konzerne „mitten in einem tiefgreifenden Umbau. Es werden Teilbereiche abgestoßen, neue Geschäftsfelder zugekauft. Bei einigen Unternehmen bleibt kaum ein Stein auf dem anderen. Derartige Maßnahmen erfordern ebenfalls hohe Investitionen, können die Unternehmen aber flexibler und wendiger machen“, so Mathieu Meyer, Mitglied der Geschäftsführung von EY. Daher gilt auch für die deutschen Top-Konzerne: Totgesagte leben länger!