Die Europäische Zentralbank (EZB) hat die Zinswende eingeleitet. Angesichts geringerer Inflationsraten haben die Währungshüter ihren Leitzins von 4,50 auf 4,25 % gesenkt. Was das für Häuslebauer, Sparer, Urlauber und Konjunktur bedeutet:
- Bekommen Sparer weniger Zinsen?
Ja. Beim Tagesgeld und Festgeld wird sich die EZB-Senkung sofort auswirken, denn die EZB dürfte nicht nur den Leitzins, sondern auch ihren Einlagenzins senken. Dieser bestimmt, wie viel Geld die Kreditinstitute für ihr bei der EZB geparktes Geld erhalten. Einen Großteil dieses Zinses haben viele Banken in den vergangenen zwei Jahren an ihre Kunden weitergegeben. Nun dürfte der Einlagezins von 4,0 auf 3,75 % erstmals wieder herabgesetzt werden. Einige Banken haben im Vorgriff darauf bereits ihre Zinsangebote für Tages- und Festgeld gesenkt.Bundesweit verfügbare Festgelder mit einem Jahr Laufzeit brachten im Dezember noch durchschnittlich 3,34 % Zinsen, so das Vergleichsportal Verivox. Aktuell sind es demnach nur noch 3 %. Doch wegen der gesunkenen Inflation bleibt davon in realer Kaufkraft mehr übrig.
- Werden Ratenkredite billiger?
Ja, aber wohl nicht unmittelbar. Auch Ratenkredite dürften sich dann im Laufe der nächsten Wochen abschwächen – aber nicht sofort. Sinken die Anlagezinsen, sinken auch die Konsumentenkredite, wenn die Banken fair arbeiten, da der Einkauf des Finanzierungsgeldes billiger wird.
- Was bedeutet das für den Aktienmarkt?
Niedrigere Zinsen sind meist gut für die Aktienkurse. Zum einen werden die Firmen bei Kreditkosten entlastet, was deren Profitabilität tendenziell steigert. Zum anderen werden Zinspapiere wie Anleihen oder Festgeld unattraktiver, weil sie weniger abwerfen - Aktien wiederum werden dadurch beliebter. Allerdings darf man nicht per set davon ausgehen, dass diese Zinssenkung ein positiver Impuls für den Aktienmarkt ist. Zumal die Börsen einen ersten Zinsschritt im Juni schon vor Monaten eingepreist haben.
Entscheidend für die Aktienmärkte dürfte daher der Zinsausblick der EZB sein. Bei der Zinsdebatte sollte nicht vergessen werden: Zu Jahresbeginn lag die Konsens-Schätzung bei 6 bis 7 Zinssenkungen in diesem Jahr. Aktuell liegt diese Prognose jetzt nur noch bei 2 bis 3 Zinssenkungen.
- Was ist mit den Bauzinsen?
Die sind in den vergangenen Wochen trotz der Aussicht auf den sinkenden EZB-Leitzins wieder gestiegen. Im Juni lag der durchschnittliche Zinssatz bei einer Sollzinsbindung von 10 Jahren bei 3,72 %, so die Online-Plattform Statista. Zu Jahresbeginn waren es nur 3,42 %. Wer wissen möchte, wie sich die Bauzinsen entwickeln, sollte nicht auf den Leitzins schauen, sondern eher auf die Inflationsrate. Die ist zuletzt in der Euro-Zone wieder etwas gestiegen, und zwar auf 2,6 %. Eine Folge: Investoren verlangen mehr Geld, wenn sie die in Europa maßgebliche Bundesanleihe kaufen sollen. Steigt die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe, weil Investoren höhere Zinsen fordern, steigen auch die Pfandbriefrenditen – und damit am Ende auch die Bauzinsen.
- Kommt die maue Konjunktur jetzt in Schwung?
Niedrigere Kreditzinsen können der Wirtschaft auf die Sprünge helfen. "Die damit verbesserten Finanzierungsbedingungen für Unternehmen werden die privaten Investitionen ankurbeln", erwartet die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier. Allerdings: Die Zinssenkung dürfte frühestens 2025 stützen, erwartet der Sachverständigenrat in seiner Frühjahrsprognose für die Bundesregierung. "Zinssenkungen wirken sich mit einer unterschiedlich langen Verzögerung auf die Konjunktur aus", betont auch Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. "Im Durchschnitt vergeht gut ein Jahr, bis die Konjunktur von niedrigeren Zinsen profitiert."
- Welche Branchen profitieren besonders?
"Grundsätzlich profitieren alle Branchen von niedrigen Zinsen, weil die Unternehmen günstiger an Fremdkapital kommen und mehr investieren", erklärt Commerzbank-Experte Krämer. "Die Zinssensitivität ist aber in der Immobilienwirtschaft sicherlich am größten, weil Bauherren in der Regel sehr viel Fremdkapital benötigen." Gesehen habe man das mit umgekehrtem Vorzeichen nach den massiven Zinserhöhungen der EZB, als die Nachfrage im Wohnungsbau um rund ein Drittel eingebrochen sei.
- Werden der Euro gedrückt und Reisen in andere Währungsgebiete teurer?
Experten rechnen hier nicht mit größeren Folgen. "Zinssenkungen machen Währungen im Vergleich zu anderen Währungsräumen relativ gesehen weniger attraktiv, also tendenziell schwächer", sagt der Leiter Strategische Vermögensplanung beim Assetmanager HQ Trust, Thomas Neukirch. "Da es sich hier aber nur um einen kleinen Schritt handelt und viele andere Faktoren die Wechselkurse ebenfalls beeinflussen, rechnen wir kurzfristig nicht mit größeren Folgen für Urlauber."