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Vorstandsinterview

mit Vossloh-CFO Dr. Thomas Triska

In welche Geschäftsbereiche gliedert sich Vossloh auf und wo liegt das Kerngeschäft?

Nach einer abgeschlossenen Umstrukturierung ist Vossloh heute ein „pure play“ in der Bahninfrastruktur mit einem speziellen Fokus auf den Fahrweg Schiene, das es so vergleichbar nicht noch einmal gibt. Das Kerngeschäft des Vossloh Konzerns bilden drei Geschäftsbereiche – Core Components, Customized Modules und Lifecycle Solutions. Der Geschäftsbereich Core Components besteht aus den beiden Geschäftsfeldern Vossloh Fastening Systems (Schienenbefestigungssysteme) und Vossloh Tie Technologies (Betonschwellen). Zu den beiden anderen Geschäftsbereichen gehört jeweils ein Geschäftsfeld: Vossloh Switch Systems (Weichen und Kreuzungen) zu Customized Modules und Vossloh Rail Services (Services rund um die Schiene) zu Lifecycle Solutions.

Vossloh gilt als relativ unabhängig von der Konjunktur, da Sie überwiegend Aufträge von Öffentlichen Auftraggebern erhalten. Was für eine Vorlaufzeit müssen Sie bei den Aufträgen der Öffentlichen Hand einplanen?

Tatsächlich profitiert unser Unternehmen von einer gewissen Krisenresistenz aufgrund unserer überwiegend öffentlich finanzierten Auftraggeber. Investitionen der öffentlichen Hand erfolgen weltweit in der Regel nach langfristigen Entscheidungsprozessen. Seit einigen Jahren rückt dabei zunehmend die Schiene als mit Abstand umweltfreundlichster Verkehrsträger in den Fokus. Weltweit haben Regierungen inzwischen zahlreiche Investitionsprogramme zur Stärkung der Bahn aufgelegt, von denen Vossloh in den kommenden Jahren profitieren wird. Die ersten Auswirkungen haben wir im letzten Jahr mit einem Rekord bei den Auftragseingängen gesehen. Zudem hat das organische Wachstum des Konzerns in den letzten drei Jahren stark zugenommen. Die Vorlaufzeit bei Aufträgen hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab und kann von Projekt zu Projekt und Land zu Land stark variieren. Generell beträgt der Vorlauf bei Neubaustrecken in der Regel mehrere Jahre, während bei Abrufen aus bestehenden Rahmenverträgen die Zeit von der Auftragsvergabe bis zur Auslieferung bzw. Durchführung auch nur wenige Wochen betragen kann.

Bitte erläutern Sie uns Ihre globale Marktstellung in den verschiedenen Geschäftsbereichen.

Core Components:

  • Vossloh Fastening Systems: Vossloh ist die Nr. 1 auf dem weltweiten Markt für elastische Schienenbefestigungssysteme.
  • Vossloh Tie Technologies: Bei Betonschwellen ist Vossloh klarer Marktführer sowohl in Nordamerika als auch in Australien.

Customized Modules: Im Segment für Weichen und Kreuzungen ist Vossloh einer der weltweiten Markt- und Technologieführer. Weltweit sind wir die Nummer 2.

Lifecycle Solutions: Vossloh ist ein führender Anbieter von innovativen Technologien und Dienstleistungen für den gesamten Lebenszyklus von Schienen und Weichen. In diesem Geschäft ist die Wettbewerbsstruktur geografisch stark lokal sowie von einer Vielzahl unterschiedlicher Leistungs- und Technologieangebote geprägt. Einen Weltmarkt im eigentlichen Sinne gibt es daher nicht. 

In den USA sind noch 90 % des Schienennetzes mit Holzschienen bestückt. Wie sehen Sie hier Ihr Potenzial als Produzent von Betonschienen?

In der Tat sind in den USA weit überwiegend Holzschwellen verbaut. Das Potenzial für Vossloh ist dennoch vielversprechend. Betonschwellen gelten als umweltfreundlicher und langlebiger im Vergleich zu Holzschwellen, die mit umwelt- und gesundheitsschädlichem Kreosot behandelt werden. Mit steigendem Umweltbewusstsein und dem Bestreben, nachhaltigere Lösungen zu finden, können Betonschwellen als zunehmend attraktive Alternative auch in den USA angesehen werden. Dieser Trend wird derzeit zusätzlich durch steigende Holzpreise verstärkt, die Kunden dazu veranlassen, Optionen zur Holzschwelle zunehmend in Betracht zu ziehen.

Darüber hinaus investieren die USA verstärkt in die Modernisierung und den Ausbau ihrer Infrastruktur, einschließlich des Schienennetzes. Im Zuge dieser Bemühungen soll vor allem der Personenverkehr attraktiver gemacht werden, bei dem der Anteil von Betonschwellen bereits heute deutlich höher ist.

Wo sehen Sie gegenüber ihren Wettbewerbern die Vorteile von Vossloh im Servicegeschäft im Bereich Schiene?

Unser großes Potenzial und unsere Stärken liegen in der Instandhaltung der Schiene. Wir bieten sowohl präventive als auch korrektive Instandhaltungstechnologien an, die sich perfekt ergänzen. Darüber hinaus haben wir ein tiefgreifendes Verständnis für den Fahrweg Schiene als ganzheitliches System, das uns von anderen Unternehmen deutlich abhebt. Kein anderes Unternehmen hat einen vergleichbaren Fokus auf den Fahrweg Schiene wie wir. Wir entwickeln, produzieren, verkaufen und installieren alle relevanten Komponenten und wir bieten ein einzigartig breites Portfolio von Dienstleistungen rund um den Fahrweg an. Unsere zunehmende digitale Kompetenz fungiert dabei als Verbindungsglied zwischen Hardware und Service. Diese Einzigartigkeit versetzt uns in eine herausragende Position, um das größte Kundenbedürfnis, nämlich die Streckenverfügbarkeit, ganzheitlich anzugehen. Mehr Verkehr auf der Schiene kann insbesondere in Europa nicht durch den proportionalen Bau neuer Strecken flankiert werden. Der Schlüssel für mehr Verkehr auf der Schiene für die Betreiber liegt in einer deutlich höheren Verfügbarkeit der bestehenden Infrastruktur.

Wie interessant ist für Sie der indische Markt? Planen Sie hier einen Ausbau Ihres Geschäfts?

Indien ist ein sehr spannender Markt. Die veraltete und in schlechtem Zustand befindliche Eisenbahninfrastruktur soll modernisiert und die Qualität soll deutlich verbessert werden. Dabei müssen auch neue Technologien zum Einsatz kommen. Mit unseren Weichenprodukten und Schienenbefestigungssystemen sind wir bereits gut im Markt vertreten und sehen in Zukunft großes Wachstumspotenzial in diesen Bereichen.

Sie haben Ihren Ausblick für 2023 zuletzt noch einmal angehoben. Was waren die Gründe dafür, in welchen Bereichen läuft es besser als zuvor erwartet?

Wir haben in der Tat aufgrund der bisherigen Geschäftsentwicklung und der insgesamt positiven Aussichten für das restliche Jahr die Umsatzspanne von 1,05 Mrd.€ bis 1,15 Mrd.€ auf 1,125 Mrd.€ bis 1,2 Mrd.€ angehoben. Wir sehen in zahlreichen Regionen eine höher als ursprünglich erwartete Nachfrage nach unseren Produkten und Dienstleistungen. Insgesamt wird nunmehr auch im Jahr 2023 ein zweistelliges Umsatzwachstum deutlich wahrscheinlicher. Die Prognose für das EBIT haben wir ebenfalls deutlich angehoben, von ursprünglich 79 Mio.€ bis 88 Mio.€ gehen wir aus heutiger Sicht von einer EBIT-Bandbreite von 87 Mio.€ bis 94 Mio.€ aus. Der Treiber hierfür ist insbesondere der profitablere Projektmix im Geschäftsbereich Core Components, für den wir wieder eine zweistellige EBIT-Marge im Jahr 2023 erwarten, was auch unser mittelfristiges Ziel bei den anderen beiden Geschäftsbereichen ist.

Nach langen Querelen hat sich mittlerweile die Heinz Hermann Thiele Familienstiftung, die knapp die Mehrheit an Vossloh hält,  konstituiert und die Arbeit aufgenommen. Gehen Sie davon aus, dass jetzt auch etwas mehr Ruhe in den Vossloh-Kurs kommt oder gibt es Signale, dass die Stiftung ihr Vossloh-Paket verkaufen möchte?

Wir freuen uns, dass die Familienstiftung nun ihre Arbeit aufgenommen hat und wir weiterhin eng mit der Familie Thiele verbunden bleiben. Dass es nun mehr als zwei Jahre gedauert hat, hatte keinen Einfluss auf unser operatives Geschäft. Ob und wie sich dieses Thema auf den Aktienkurs ausgewirkt hat, können wir nicht seriös einschätzen.

 

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!