Seit der Einführung der Abgeltungsteuer in Deutschland im Jahr 2009 wird auch immer wieder um die steuerliche Behandlung von Aktien nach Abspaltungen gestritten. Besonders bei ausländischen Spin-Offs kassiert der Fiskus gerne ab, so auch aktuell bei Vivendi. Aber ist dies rechtens?
Der französische Medienkonzern Vivendi zog seit Jahren den Großteil seines Profits aus dem weltgrößten Musiklabel Universal Music Group (UMG), war aber selbst an der Börse chronisch unterbewertet. Verständlich, dass Vivendi nun mit dem Spin-Off von UMG im September seine stillen Reserven heben wollte. Und der Schritt scheint geglückt, denn sowohl der Kurs der Vivendi-Aktie als auch der von UMG liefen noch am selben Tag deutlich ins Plus. Beide Teile sind getrennt nun mehr wert als zusammen.
Dennoch ist die Freude der Alt-Aktionäre von Vivendi getrübt, denn einigen von ihnen wurden nicht nur die neuen UMG-Aktien eingebucht, sondern gleichzeitig von ihrem Konto auch Kapitalertragsteuer abgeführt. Damit könnte der größte europäische Börsengang des Jahres wohl wieder für jahrelange rechtliche Auseinandersetzungen vor den deutschen Finanzgerichten sorgen. Dabei sind die letzten großen ausländischen Spin-Offs, vor allem von Hewlett-Packard (HP) sowie von eBay (beide aus 2015), bereits wegweisend:
Durch die Unternehmens-Ausgliederung des eBay-Bezahlsystems PayPal erhielten die Aktionäre für jede eBay-Aktie eine PayPal-Aktie. Das Finanzamt behandelte die Gutschrift als steuerpflichtige Sachausschüttung und forderte hierfür Einkommensteuern. Aktionäre hatten dagegen geklagt und argumentierten, dass sie durch die Ausgliederung von PayPal keinen Vermögenszuwachs erfahren haben. Der bisherige Unternehmenswert sei lediglich auf zwei Aktien aufgeteilt worden.
Mit seinem Urteil vom 11. März 2021 (Az.: 9 K 596/18) hob das Finanzgericht Köln tatsächlich die Einkommensteuerfestsetzung von 2015 auf. Begründung: Die Zuteilung von Aktien im Rahmen eines sog. Spin-Offs sei im Jahr des Aktienbezugs kein steuerpflichtiger Vorgang. Es handelt sich nicht um eine Sachdividende, sondern um eine Abspaltung. Erst bei einer späteren Aktienveräußerung sind etwaige Veräußerungsgewinne zu besteuern.
Die Kölner Richter gingen aber noch einen Schritt weiter: Selbst wenn eine solche Abspaltung nicht festgestellt werden könnte, sei der Kapitalertrag lediglich mit 0 Euro anzusetzen. Die Ermittlung des wirtschaftlichen Werts der Zuteilung sei nämlich nicht möglich, weil der Aktionär keine Gegenleistung zu erbringen hatte.
Dieses Urteil wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 1. Juli 2021 (Az.: VIII R 15/19) bestätigt und ist inhaltsgleich mit den BFH-Urteilen VIII R 19/19 und VIII R 28/19. Hier ging es um die Zuteilung von Aktien im Rahmen des Spin-Offs bei Hewlett-Packard (HP). Der Konzern hatte sich Anfang November 2015 aufgespalten. Das Geschäft rund um Computer und Drucker firmiert seitdem als HP Inc., die IT-Sparte als Hewlett-Packard Enterprise (HPE).
Durch die Spaltung des Konzerns wurden seinerzeit auch die Aktien aufgespalten. Die HP-Aktionäre bekamen nun pro Aktie noch eine HPE-Aktie in ihr Depot gebucht. Der Gesamtwert ihres Depotpostens änderte sich dabei nicht. Trotzdem zogen Banken auf den Wert der HPE-Aktien Abgeltungsteuer ein. Durch die Änderung der Wertpapierkennnummer der Aktie behandelten sie die Abspaltung steuerlich wie eine Dividendenausschüttung. Altaktionäre mussten somit auf die Hälfte ihres Depotbestandes Steuern zahlen.
Doch auch in diesem Fall zogen Betroffene vor Gericht und bekamen nun von allerhöchster Stelle Recht: „Die Aktienzuteilung im Rahmen eines US-amerikanischen „Spin-Off“ ist nach § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG steuerneutral, wenn die „wesentlichen Strukturmerkmale“ einer Abspaltung i.S. des § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind“ (2. Leitsatz). Der Begriff der „Abspaltung“ ist dabei „typusorientiert“ (dem Wesen einer Abspaltung nach) auszulegen.
Isoliert betrachtet wäre also den Aktionären mit der Einbuchung der HPE-Aktien in ihr Depot ein Kapitalertrag in Form einer Sachausschüttung zugeflossen. Da die HPE-Aktien jedoch laut BFH im Rahmen einer Abspaltung zugeteilt wurden, löst der Vorgang keine Besteuerung aus. Demnach sind auch hier erst spätere Veräußerungsgewinne zu versteuern.
Bei der aktuellen Vivendi-Abspaltung hängt die steuerliche Behandlung also davon ab, ob die Finanzbehörden diese Kapitalmaßnahme als echte Abspaltung einordnen. In diesem Fall wäre die Abführung von Kapitalertragsteuer rechtswidrig und müsste korrigiert werden.
Aktionäre sollten auf jeden Fall mit Hinweis auf die oben genannten Urteile schriftlich Widerspruch einlegen, wenn ihre depotführende Bank auf die eingebuchten UMG-Aktien Kapitalertragsteuer einbehalten und an das zuständige Finanzamt abgeführt hat.
*Der ES übernimmt für diese Informationen keine Gewähr, sie stellen keine steuerliche Beratung dar.