Eine Ex-Mitarbeiterin hat Facebook in die schwerste Krise seit dem Skandal um Cambridge Analytica gestürzt. Die 37-jährige Frances Haugen lieferte Schlüsselinformationen für eine Artikel-Serie im "Wall Street Journal", nach der Facebook unter erheblichen politischen Druck in den USA geriet. Darin ging es unter anderem um die Auswirkungen des Foto-Dienstes Instagram auf junge Nutzer. Haugen gab sich in am Sonntag veröffentlichten Interviews erstmals als Whistleblowerin zu erkennen.
Haugen sagte dem "Wall Street Journal", sie sei frustriert gewesen, weil Facebook nicht ausreichend offen damit umgehe, dass das Online-Netzwerk Schaden anrichten könne. Zu ihrem Job bei Facebook, den sie im Mai nach rund zwei Jahren aufgab, habe der Kampf gegen Manipulationsversuche bei Wahlen gehört. Sie habe jedoch schnell das Gefühl gehabt, dass ihr Team zu wenig Ressourcen habe, um etwas zu bewirken.
Auch sei ihr Eindruck gewesen, dass Facebook weiter auf Wachstum gesetzt habe, obwohl dem Unternehmen negative Auswirkungen der Plattform auf die Nutzer bekannt gewesen seien. "Es gab Interessenkonflikte zwischen dem, was für die Öffentlichkeit gut war und was für Facebook gut war", sagte Haugen bei "60 Minutes". Und Facebook habe sich immer und immer wieder dafür entschieden, für eigene Interessen das Geschäft zu optimieren.
Aus der Serie von Berichten im "Wall Street Journal" in den vergangenen Wochen schlug besonders schwer der Artikel ein, in dem es um interne Untersuchungen zum Einfluss von Instagram auf junge Nutzer ging. Unter anderem hieß es in einem Bericht von Facebook-Forschern, bei zahlreichen Teenagern - vor allem Mädchen - verstärke Instagram die Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper. Das sorge für Essstörungen und Depressionen.
Facebook verwies nach dem Bericht darauf, dass weiteren Daten aus denselben Studien zufolge Teenager andere Themen als hilfreich bezeichnet hätten. Dennoch legte das Online-Netzwerk vergangene Woche Pläne für eine Instagram-Version für Zehn- bis Zwölfjährige auf Eis.
Aktuell dürfen Kinder im Alter ab 13 Jahren Instagram nutzen. Viele geben jedoch bei der Registrierung ein falsches Geburtsdatum an. Mit "Instagram Kids" wollte Facebook nach eigenen Angaben auch dieses Problem angehen. Doch nach einer Anhörung im US-Senat wurde klar, dass dies politisch nur noch schwer durchzusetzen sein wäre. Instagram betonte in einer Stellungnahme für "60 Minutes", dass man weiterhin eine Version für Jüngere für sinnvoll halte: "Die Realität ist, die Kinder sind bereits online."
Die für Nutzer-Sicherheit zuständige Managerin Antigone Davis drang bei den Senatoren mit ihren relativierenden Erklärungen nicht durch. So verglich der Demokrat Ed Markey die Vorgehensweise des Online-Netzwerks vor allem bei Instagram mit verantwortungslosem Handeln der Tabakindustrie. "Instagram ist diese erste Zigarette der Kindheit", die Teenager früh abhängig machen solle und am Ende ihre Gesundheit gefährde, sagte Markey unter anderem. "Facebook agiert wie die großen Tabakkonzerne: Sie verbreiten ein Produkt, von dem sie wissen, dass es der Gesundheit junger Menschen schadet." Facebook-Gründer und -Chef Mark Zuckerberg und auch die fürs operative Geschäft zuständige Top-Managerin Sheryl Sandberg äußerten sich bisher nicht zu der Kontroverse.
Dass soziale Medien nicht die Realität widerspiegeln und auch durchaus nicht für objektive Meinungen steht, dürfte nichts neues sein. Daher verwundert die Reaktion auf den Wall Street-Artikel doch etwas. Allerdings dürfte der Kursknick bei Facebook aus Erfahrung nciht allzu lange anhalten.