Kritik an Dividendenstreichung – Aktie notiert mehr als 30 Prozent unter NAV
Die Effecten-Spiegel AG hatte für den 26. Mai 2023 zur Hauptversammlung eingeladen. Nachdem sich die Aktionäre bedingt durch die Corona-Pandemie dreimal virtuell zusammengefunden hatten, fand das Treffen diesmal wieder als Präsenzveranstaltung im Congress Center in Düsseldorf statt. Etwa 100 Aktionäre und Gäste hatten sich dort eingefunden, darunter Matthias Wahler für GSC Research, um sich über die aktuelle Situation und die weiteren Perspektiven zu informieren.
Der Aufsichtsratsvorsitzende Wolfgang Aleff eröffnete die Versammlung um 10:30 Uhr und teilte mit, dass der Vorstand mit Marlis Weidtmann ebenso wie sämtliche Aufsichtsratsmitglieder anwesend sind. Neben Frau Weidtmann hatte außerdem Prokuristin Susanne Neuschäffer Platz genommen. Das Protokoll führte Notar Leif Böttcher
Nachfolgend erläuterte Herr Aleff die Formalien und sprach einige ergänzende Worte zum Bericht des Aufsichtsrats, der sich im Geschäftsjahr 2022 zu insgesamt sieben Sitzungen getroffen hat, davon zweimal in Form einer Telefon- und Videokonferenz. Es haben jeweils sämtliche Mitglieder teilgenommen.
Nach diesen Ausführungen übergab er das Wort an den Vorstand.
Bericht des Vorstands
Frau Weidtmann gab zunächst ihrer Freude Ausdruck, dass nach drei Jahren mit virtuellen Hauptversammlungen endlich wieder eine Präsenzveranstaltung abgehalten werden kann. Für sie ist dies ein wesentlicher Baustein von guter Corporate Governance. Insoweit stellte sie schon an dieser Stelle klar, dass die vorgeschlagene Änderung der Satzung, die künftig auch virtuelle Hauptversammlungen ermöglichen soll, rein vorsorglich erfolgt. Wenn irgendwie möglich, werde man auch künftig immer zu Präsenzversammlungen einladen.
Sodann kam die Firmenchefin auf das Geschäftsjahr 2022 zu sprechen, das kein gutes Jahr an den Märkten und ebenso wenig für die Effecten-Spiegel AG (ES) war. Die Entwicklungen müssen als historisch bezeichnet werden, leider in negativem Sinn. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie war nach ihrer Einschätzung eigentlich eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine Normalisierung der realwirtschaftlichen Entwicklung und für neue Wachstumsimpulse in Europa gegeben. Stattdessen kam am 24. Februar 2022 der Krieg nach Europa, was die Ausgangssituation völlig veränderte.
Alles, was bisher selbstverständlich schien, wie Handelsbeziehungen in alle Welt, eine sichere Energieversorgung und bezahlbare Lebensmittel, ist es seither nicht mehr. Und Europa ist aufgrund seiner realwirtschaftlichen Verknüpfung mit Russland von den Verwerfungen am stärksten betroffen, was sich entsprechend heftig auf die Kapitalmärkte auswirkte. Für Anleger spielte es letztlich auch keine Rolle, in welcher Asset-Klasse sie investiert waren. Nicht nur Aktien, auch Bundesanleihen, Immobilien und Kryptowährungen stürzten ab, was den Investoren historische Verluste bescherte.
Wie Frau Weidtmann verdeutlichte, war 2022 nach 1931 und 1969 erst das dritte Jahr in der Börsenhistorie, in dem sowohl Aktien als auch Anleihen im Minus landeten. Entsprechend waren die Vermögensverluste weltweit betrachtet mit 35 Billionen US-Dollar so hoch wie nie zuvor. Für festverzinsliche Rentenpapiere war 2022 sogar das verlustreichste Jahr seit 1788 - die Entwicklung kann also tatsächlich als historisch bezeichnet werden. Gleiches gilt für die stark steigende Inflation und den schnellsten und prozentual stärksten Zinsanstieg in der Geschichte.
Die sehr schwache Entwicklung der wesentlichen Börsenindizes beeinträchtigte die Bewertung der ES-Depots erheblich, zumal es kaum Möglichkeiten zur Diversifizierung gab. Selbst der antizyklische Nachkauf nach deutlichen Kurskorrekturen zahlte sich nicht aus. Letztlich mussten Abwertungen auf das Finanzanlage- und Umlaufvermögen in Höhe von 4,66 (Vorjahr: 2,96) Mio. Euro vorgenommen werden, was dazu führte, dass die Gesellschaft das Geschäftsjahr 2022 nach der äußerst erfolgreichen Vorperiode mit einem deutlich negativen Jahresergebnis von minus 2,95 (plus 5,23) Mio. Euro abschloss.
Allerdings gehören, wie Frau Weidtmann anfügte, gerade solche Titel zu den langfristigen Positionen im ES-Depot, die zwar in schwierigen Börsenphasen auch im Kurs verlieren, die aufgrund ihrer Bilanzstärke aber durchgehend Dividende zahlen. Dies zeigt sich daran, dass die Dividendeneinnahmen mit 939 (930) TEUR sogar noch leicht anstiegen. Als beste Dividendenzahler erwiesen sich Sanofi, Coloplast, SAP, Freenet sowie Lanxess, BASF und SAP.
Im Folgenden ging die Firmenchefin näher auf die Kursentwicklung verschiedener Aktien ein, die sich im Depot befinden. SAP und Infineon hatten zwischenzeitlich erheblich im Kurs verloren, mittlerweile aber wieder spürbar an Wert gewonnen und nach Überzeugung von Frau Weidtmann weiteres Potenzial. Die Infineon-Aktie ist mit Blick auf die steigenden Gewinne sogar noch günstiger geworden. Auch der IT-Dienstleister Bechtle verzeichnet eine anhaltend erfolgreiche Entwicklung. Die Dividende wurde inzwischen 13-mal in Folge erhöht. Dennoch ist die Aktie zwischenzeitlich erheblich unter die Räder gekommen.
Bei BASF war die Situation etwas anders. Infolge des Ukraine-Krieges hat der Chemiekonzern ebenso wie die Tochtergesellschaft Wintershall Dea das Geschäft in Russland und Ukraine eingestellt, was enorme Abschreibungen zur Folge hatte. Durch den enormen Energieverbrauch in der Chemiesparte und die hohe Abhängigkeit vom russischen Gas war nicht einmal klar, ob der größte Standort in Ludwigshafen weiterbetrieben werden kann, was die Aktie in die Tiefe riss. Frau Weidtmann hat die Position in BASF-Aktien nach dem ersten Kursrutsch reduziert und bei Tiefstkursen wieder leicht aufgestockt. Letztlich schloss das Unternehmen dann deutlich besser als erwartet und zahlte mit 3,40 Euro eine unveränderte Dividende.
Bei Lanxess sah es ergebnisseitig sogar noch besser aus. Die gestiegenen Kosten konnten fast komplett über höhere Verkaufspreise weitergegeben werden, der Gewinn stieg und die Dividende wurde erhöht – und dennoch halbierte sich der Aktienkurs. Auch hier reduzierte die ES-Chefin den Bestand, um sukzessive billiger wieder nachzukaufen. Ein kurstechnischer Flop war ebenso die Fresenius-Aktie, die Frau Weidtmann seit 2018 sukzessive ins Depot aufgenommen hat. Nachvollziehen kann sie das aktuelle Kursniveau nicht mehr. Die drei wichtigsten Kerngeschäfte FMC, der Kliniksektor und der Bereich Kabi sind zusammen mit 21 Mrd. Euro deutlich mehr wert als die gesamte Marktkapitalisierung der Fresenius SE von 14,4 Mrd. Euro. Nach Einschätzung von Frau Weidtmann ist Fresenius eine der interessantesten Comeback-Stories im DAX.
Eine hohe Abwertung musste auch auf Drägerwerk mit 618 TEUR vorgenommen werden. Den drastischen Kursrutsch dieser Aktie kann Frau Weidtmann ebenfalls nicht nachvollziehen. Das Unternehmen verzeichnet eine solide Geschäftsentwicklung und ein Börsenwert von 800 Mio. Euro ist bei einem Umsatz von 3,3 Mrd. Euro geradezu lächerlich. Bei Shop Apotheke mussten, obwohl die Wachstumsversprechen voll erfüllt wurden, 705 TEUR abgeschrieben werden. Die Aktie geriet in den Sog des Tech-Abverkaufs und litt zudem ohne eigenes Verschulden unter den Verzögerungen bei der Einführung des E-Rezepts. Im laufenden Jahr zählt Shop Apotheke allerdings wieder zu den Top-Performern.
Weitere hohe Abschreibungen waren im Anlagevermögen bei Paypal mit 675 TEUR, About You mit 462 TEUR und Zalando mit 348 TEUR und im Umlaufvermögen auf Continental, BioNTech und Wheaton Precious Metal Corp. mit in Summe 628 TEUR erforderlich. Uniper und Metro befanden sich zum Jahresende hingegen per Saldo nicht mehr im Bestand. Beide Positionen hatte die Vorständin mit Blick auf ihre starke Ausrichtung nach Russland nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vollständig verkauft. Bei Uniper lag das Ergebnis bei einem Verkaufskurs von rund 29 Euro etwa bei null, bei Metro wurde ein Verlust von 322 TEUR realisiert.
Vollständig veräußert wurden außerdem die Beteiligungen an T-Mobile US, Twitter, Qiagen, Vantage Towers, Saint-Gobain, Gilead Sciences, Synlab, Cancom, Vitesco, Sanofi, Total und Apple sowie das Investment in Xetra-Gold. Teilveräußerungen gab es bei Amazon und K+S. Der Restbestand an Hella-Aktien wurden im Rahmen des freiwilligen Übernahmeangebots angedient. Insgesamt wurden im Geschäftsjahr 2022 Erträge aus Veräußerungsgeschäften in Höhe von 2,78 Mio. Euro realisiert.
Frau Weidtmann leitete dann über zum Verlagsgeschäft, welches 2022 nicht nur profitabel war, sondern dessen Gewinn auf 271 (50) TEUR sogar deutlich zulegte und das höchste Niveau seit 2016 erreichte. Dies ist erstaunlich, nachdem die Branche infolge von Kostenexplosionen in praktisch allen Bereichen ein schwieriges Jahr hinter sich hat. Die Firmenchefin verwies auf eine repräsentative Branchenanalyse, in der davon ausgegangen wird, dass bei Fortschreibung der aktuellen Entwicklung 30 % der Zeitschriftentitel in ihrer Existenz stark gefährdet sind.
Tatsächlich gab es enorme Herausforderungen zu bewältigen. Der Papierpreis hat sich binnen eines Jahres verdoppelt. Auch für Lager, Verarbeitung, Transport und die Mitarbeiter muss deutlich mehr bezahlt werden. Inzwischen wird sogar noch ein Diesel-Zuschlag für die Auslieferung des Journals erhoben. Die Nachrichtendienste sind ebenfalls deutlich teurer geworden und natürlich wirken sich, nachdem die Papier- und Druckindustrie neben der chemischen Industrie zu den energieintensivsten Bereichen zählt, die stark steigenden Energiepreise negativ aus.
Und der Online-Vertrieb ist laut Frau Weidtmann nicht zwingend günstiger. Die journalistische Leistung muss in jedem Fall vergütet werden. Zudem kostet der Digitalisierungsprozess Geld und das Online-Produkt muss fortlaufend angepasst, lizenziert und betreut werden, nicht zu vergessen die Implementierung eines hohen Sicherheitsstandards, um die Kundendaten vor dem unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen. Und alle diese Kosten müssten, nachdem der ES nach wie vor als einzige Publikation in Deutschland, wenn nicht in Europa, werbefrei ist, also keinerlei Werbeeinnahmen vereinnahmt, allein über den Verkauf des Journals gestemmt werden.
Dieses Alleinstellungsmerkmal ist, wie die Firmenchefin einräumte, nicht leicht aufrechtzuerhalten. Nach ihrer Überzeugung ist aber nur so unabhängiger Journalismus zu garantieren. Zudem arbeiten die Redakteurinnen generell in beiden Bereichen, also Print und digital, was sehr anspruchsvoll ist. Nicht zuletzt wird zweimal im Monat ein Podcast produziert, der aktuell mit 53.000 Downloads und rund 27.000 Abonnenten einen überproportionalen Anstieg aufweist und die Reichweite der Marke und den Bekanntheitsgrad enorm erhöht. An dieser Stelle richtete Frau Weidtmann ein herzliches Dankeschön an alle Mitarbeiter.
Nachfolgend kam die Vorständin auf die verschiedenen Gerichtsverfahren zu sprechen, an denen der ES beteiligt ist. Im Postbankverfahren gegen die Deutsche Bank gab es am 13. Dezember 2022 zum zweiten Mal einen Verkündungstermin vor dem Bundesgerichtshof, was ihrer Kenntnis nach ein Novum in der Gerichtsbarkeit ist. Und zum zweiten Mal hat der zuständige II. Zivilsenat in Karlsruhe das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das OLG Köln zurückverwiesen, weil „die dem Urteil zugrundeliegende Beurteilung in einigen Punkten einer rechtlichen Prüfung nicht standhält“. Sie empfindet diese Formulierung als ordentliche Klatsche für das OLG.
Wie Frau Weidtmann in Erinnerung rief, geht es bei diesem Verfahren um das große Thema, ob die Deutsche Bank den Postbank-Aktionären schon früher hätte ein Pflichtangebot unterbreiten müssen. Und dafür kommt es darauf an, ob sie die Schwelle von mindestens 30 Prozent der Stimmrechte schon in der Zeit zwischen dem 12. September 2008 bis März 2009 überschritten hatte. Aber genau das konnten die obersten Zivilrichter immer noch nicht abschließend in der Gesamtschau beurteilen, weil das OLG auch nach all diesen Jahren einige Feststellungen noch nicht vorgenommen hat.
Daher ist der BGH nun sehr konkret geworden und hat Aussagen zu drei verschiedenen Zurechnungstatbeständen getroffen. Einerseits hat er festgestellt, dass bei einem dinglichen Erwerb eine Zurechnung erst stattfindet, wenn das Erwerbsrecht dinglich ausgeübt wird. Es würde aber ebenso zur Zurechnung führen, wenn die Deutsche Post AG im genannten Zeitraum weitere Postbank-Aktien für Rechnung der Deutschen Bank gehalten oder die Deutsche Bank bereits die wesentlichen Risiken und Chancen aus den betreffenden Aktien getragen hätte. Die beiden letzten Punkte haben nach Überzeugung von Frau Weidtmann besondere Sprengkraft.
Bisher hat sich das OLG zu diesen Fragen nicht geäußert. Insbesondere hat es noch keine Aussage zur Ausgestaltung der Pflichtumtauschanleihe und ihrer Wirkung getroffen – dabei partizipieren deren Inhaber grundsätzlich an der Wertentwicklung der zugrundeliegenden Aktie. Der BGH führt entsprechend aus, dass die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht gegen, sondern für den Übergang der Dividendenchance auf die Deutsche Bank sprechen. Wenn sich letztlich ergibt, dass die Deutsche Bank im besagten Zeitraum doch die Schwelle von 30 Prozent überschritten und ein Pflichtangebot hätte unterbreiten müssen, dann wäre nach Aussage des BGH die angemessene Gegenleistung je Aktie 57,25 Euro und nicht die angebotenen 25 Euro.
Das OLG hat nun erst einmal insoweit reagiert, dass es die Parteien aufgefordert hat, bis zum 20. Mai ihre Stellungnahme zum Urteil einzureichen. Inzwischen wurde diese Frist bis zum 19. Juni verlängert. Danach ist dann wieder das OLG am Zug. Frau Weidtmann sieht aber eine gute Chance, dass es noch in diesem Jahr zu einer Entscheidung kommt.
Beim zweiten großen Verfahren betreffend den Squeeze-out bei der HVB geht es hingegen auch im 15. Prozessjahr schleppend voran. Zwar hat das LG München I die angebotene Barabfindung von 38,26 Euro inzwischen als zu gering erachtet. Bei einer Abweichung von unter 5 % meinte es aber keine Unangemessenheit feststellen zu können, was Frau Weidtmann nicht nachvollziehen kann. Leider gibt es zu der Bagatellgrenzen-Problematik aber keine einheitliche Rechtsprechung und soweit bekannt noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung.
Entsprechend hat der ES ebenso wie zahlreiche andere Antragsteller, darunter auch der Elliott-Funds, Beschwerde eingereicht. Das Beschwerdegericht hatte den Beschwerdeführern zur ergänzenden Begründung eine Frist bis zum 28. April 2023 gesetzt. Die Antragsgegnerin hat eine Erwiderungsfrist bis zum 15. September 2023. Da der Gemeinsame Vertreter anschließend bis zum 24. Januar 2024 Stellung nehmen kann, ist frühestens 2024 mit einer Entscheidung zu rechnen.
Zum Thema Wirecard informierte Frau Weidtmann, dass vom Bayerischen Obersten Landesgericht im Musterverfahren gegen den Abschlussprüfer Ernst & Young ein Musterkläger bestimmt worden ist. „Damit kann es endlich losgehen, Licht in diesen beispiellosen Sumpf von Betrug und Korruption zu bringen“, so die ES-Chefin. Der ES ist zwar nicht die Musterklägerin, der vom ES erstrittene Vorratsbeschluss vom 14. März 2022 mit 28 Seiten und rund 70 Feststellungszielen aber die Basis des Musterverfahrens.
Die Besonderheit dieses Verfahrens ist nach Angabe von Frau Weidtmann, dass alle Kläger, insgesamt sind dies 182 institutionelle Investoren und über 15.000 geschädigte Privatanleger, gemeinsam für ihr Recht streiten. Die eingeklagte Gesamtforderung wird nach Angabe der TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, die alle Kläger vertritt, die Marke von 1 Mrd. Euro erreichen. Dabei sind ab Veröffentlichung des Gerichtsbeschlusses noch einmal sechs Monate Zeit, in denen weitere Geschädigte ihre Forderungen anmelden können.
Auch bei Porsche gibt es ein Musterverfahren. Dabei geht es um die Frage, ob das Wissen, das die Vorstände oder weitere Mitarbeiter von Volkswagen über „Dieselgate“ besaßen, automatisch auch der Porsche SE als deren Wissen zuzurechnen ist. Das OLG Celle hat in seiner Musterentscheidung vom 30. September 2022 die Ansprüche gegen die Porsche Automobil Holding abgewiesen. Hiergegen hat ein Musterkläger inzwischen Beschwerde beim BGH eingelegt. Der Ausgang des Verfahrens ist also ungewiss.
Der ES kann aber, da ebenso wie im Musterverfahren Wirecard mit einem Prozessfinanzierer gearbeitet wird, nichts verlieren, sondern nur gewinnen. Die Rückstellungen für Prozesskosten betreffen mit 300 TEUR also fast ausschließlich das Verfahren gegen die Deutsche Bank zur Übernahme der Postbank und mit 10 TEUR das HVB-Verfahren. Die höchste Rückstellung betrifft mit 3,99 Mio. Euro erneut die Verpflichtungen zur Altersversorgung.
In diesem Zusammenhang erläuterte Frau Weidtmann die wesentlichen Posten in den sonstigen betrieblichen Kosten. Der Personalaufwand lag inklusive der gezahlten Tantiemen bei 1,26 (Vorjahr: 1,80) Mio. Euro. Die sonstigen betrieblichen Kosten summierten sich auf 1,74 (1,76) Mio. Euro. Die größten Einzelposten sind hier Werbekosten mit 437 (504) TEUR, die Versandkosten mit 354 (343) TEUR, Rechts-, Beratungs- und Prüfungskosten mit 199 (212) TEUR, Vertriebskosten und Fremdleistungen mit 180 (195) TEUR sowie Versicherungsbeiträge und Nachrichtendienste mit 160 (135) TEUR.
Der Blick in die Zukunft fiel der Firmenchefin schwer. Das Jahr 2022 muss in vielerlei Hinsicht als historisch bezeichnet werden und die Unsicherheit über die weitere politische und wirtschaftliche Entwicklung dauert an. Die großen Aktienindizes haben sich zwar mittlerweile wieder deutlich erholt. Insbesondere in den USA handelt es sich bislang aber um eine sehr selektive Erholung. Dies mahnt ebenso zur Vorsicht wie die jüngsten Bankenbeben – und es ist durchaus denkbar, dass es im Zuge der rasanten Zinswende zu weiteren Turbulenzen im Finanzsystem kommt.
Positiv ist derzeit immerhin, dass die Inflation sich wieder rückläufig entwickelt. Der ES hat deshalb interessante Unternehmensanleihen von Hornbach, BMW, VW Leasing und einen Südzucker Floater ins Portfolio aufgenommen. Von den gesunkenen Zinserwartungen profitierte auch der Edelmetallsektor. Der zwischenzeitliche starke Anstieg des Silberpreises führte dazu, dass die im Depot gehaltenen Wheaton Precious Metals ihren Wertverlust wieder aufholten, was Frau Weidtmann nutzte, um diese Position zu veräußern.
Insgesamt erwartet die Firmenchefin für den Kapitalmarkt volatile und anstrengende Zeiten. Eine gewisse Zuversicht schöpft sie allerdings daraus, dass „Dreierjahre“ und Vorwahljahre in den USA seit dem zweiten Weltkrieg immer positive Jahre am Aktienmarkt waren. Allerdings hat der DAX das Renditeziel, das seit 1945 bei durchschnittlich 11 % p.a. liegt, schon vorweggenommen. Entscheidend ist indes die positive Tendenz.
Allgemeine Aussprache
In der nachfolgenden Diskussion sprachen Sascha Borowski von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und Hartmut Göddecke als Vertreter der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sowie die Privataktionäre Udo Rüther und Walter Hock. Sämtliche Fragen beantwortete Frau Weidtmann aktionärsfreundlich direkt nach der jeweiligen Wortmeldung und ohne Backoffice.
Herr Borowski bewertete das Ergebnis des Berichtsjahres als „katastrophal“. Die Hintergründe hatte die Vorständin ausführlich erläutert. Ihm erschloss sich aber nicht, wie die Gesellschaft wieder auf Erfolgskurs zurückgeführt werden soll. Auch Herr Göddecke verlangte nach dem schlechten Abschneiden im Geschäftsjahr 2022 ergänzende Ausführungen zu den Zukunftsperspektiven. Herr Rüther und Herr Hock waren in dieser Hinsicht ebenfalls sehr unzufrieden.
Frau Weidtmann konnte die kritischen Worte gut nachvollziehen. Sie empfindet den hohen Fehlbetrag nach 15 Jahren mit Gewinnen und durchgehender Dividendenzahlung ebenfalls als „persönliche Niederlage“. Als wesentlichen Grund für das schlechte Abschneiden sieht sie, dass im vergangenen Jahr auch die breite Aufstellung des Depots nichts mehr genutzt hat, da sich die verschiedenen Krisen überlagert und letztlich alle Asset-Klassen nach unten entwickelt haben. Auf die Coronapandemie mit ihren vielfältigen Auswirkungen folgte direkt der Ukraine-Krieg verbunden mit explodierenden Energiepreisen, hoher Inflation und einem rasanten Zinsanstieg, wovon jeweils andere Bereiche betroffen waren. Im Endeffekt gab es für Investoren keine Möglichkeit, sich zu „verstecken“. Selbst mit Bargeld war dies bei Negativzinsen nicht möglich.
Mit Beginn des Ukraine-Kriegs habe man viele Aktien von Unternehmen, die eine starke Abhängigkeit von Russland haben, ganz oder teilweise verkauft. Vielleicht habe man, wie sie selbstkritisch einräumte, aber auch nicht immer schnell genug die Reißleine gezogen. Sie selbst und das gesamte Team haben noch nie einen Krieg erlebt, es fehlten in dieser Hinsicht Erfahrungswerte. Überdies bewerte man Unternehmen grundsätzlich nach fundamentalen Kriterien und so gesehen habe es oftmals keinen Grund gegeben, eine Aktie zu verkaufen. Leider haben sich die Kurse zumeist dennoch deutlich nach unten entwickelt.
Derzeit sei man noch dabei, das Portfolio zu bereinigen. Man wolle aktuell beispielsweise keine Banken und Immobilienunternehmen im Depot haben. Den traditionell hohen Bargeldbestand hat die Verwaltung zu großen Teilen gut verzinst angelegt und ebenfalls Unternehmensanleihen gekauft. Wichtig war Frau Weidtmann indes der Hinweis, dass die Gesellschaft nach wie vor sehr komfortabel aufgestellt ist: In der Vermögensverwaltung werden nur Eigenmittel am Kapitalmarkt eingesetzt, die Gesellschaft hat keine Bankschulden und das Verlagsgeschäft deckt alle Fixkosten.
Etwas schwierig ist es ihrer Aussage nach zurzeit, dass sich im Depot viele Aktien aus dem MDAX und SDAX befinden. Im Gegensatz zum DAX treten diese Indizes auf der Stelle. Überhaupt läuft der Markt derzeit nur sehr selektiv. Um gute Gewinne erwirtschaften zu können, müsste die Entwicklung mehr in die Breite gehen. Als problematisch erachtet die Vorständin auch die stark gestiegene Volatilität, was die Anlage erschwert. Richtig ist, dass viele Positionen aus heutiger Sicht günstiger gekauft oder besser hätten verkauft werden können. Diese Erkenntnis ist in der Rückschau aber immer einfacher.
Aktionär Hock hielt es für angebracht, das Depot auf einen größeren Crash vorzubereiten, der seiner Meinung nach in naher Zukunft bevorstehen dürfte. Dass so etwas geschieht, kann, wie Frau Weidtmann ausführte, natürlich nie ausgeschlossen werden. Sie hält es aber nicht für sinnvoll, bei der Suche nach interessanten Investments immer an so etwas zu denken. Sie stimmte jedoch zu, dass es nach einer langen guten Zeit an der Börse in den nächsten Jahren wohl eher darum geht, das Vermögen zu erhalten, statt reicht zu werden.
Herr Göddecke forderte eine Stellungnahme vom Aufsichtsrat, inwieweit er in dem schwierigen Börsenumfeld auch in Anlagedingen beraten hat. Wie Herr Aleff ausführte, durchleuchten seine Kollegen und er in jeder Aufsichtsratssitzung das gesamte Depot. Jeder Titel wird unter die Lupe genommen, ob er fundamental in Ordnung ist und weiterhin als Investment taugt. Dies alles im Aufsichtsratsbericht zu schreiben, würde allerdings den Rahmen sprengen.
Der Aufsichtsratsvorsitzende stimmte Frau Weidtmann zu, dass es sehr schwierig ist, eine Strategie zu entwickeln, die auch in teilweise irrationalen Marktphasen trägt. Wie die Pandemie und der Ukraine-Krieg gezeigt haben, können sich die Gegebenheiten über Nacht radikal verändern. Er hält es nach wie vor für richtig, auf fundamental starke Werte zu setzen. Dies kann aber auch schiefgehen, „wenn die Märkte außer Rand und Band sind.“
Herr Rüther konnte nicht nachvollziehen, warum sich Aktien wie About You, Mr. Spex oder Oatley im Depot befanden. Diese verfügen über keine Historie und seiner Meinung nach über eine eher zweifelhafte Substanz. Nach Angabe von Frau Weidtmann habe man auf diese Aktien gesetzt, weil die Unternehmen in ihren Märkten jeweils über eine starke Position verfügen, woraus sich hohes Potenzial eröffnen kann. Natürlich sind diese Titel spekulativ. Es erscheint ihr aber durchaus sinnvoll, auch einmal auf starke Trends zu setzen. Sie stimmte jedoch zu, dass Experimente mit zu spekulativen Titeln beendet werden müssen.
Weiter wollte Rüther wissen, wie mit der Beteiligung von immer noch 9,98 Prozent an der infas Holding AG verfahren werden soll. Er konnte bei diesem Unternehmen keine größeren Zukunftsperspektiven erkennen. Wie Frau Weidtmann erinnerte, war der ES an diesem Unternehmen ursprünglich mit knapp unter 50 Prozent beteiligt gewesen. Über die Jahre habe man die Quote nach und nach mit gutem Gewinn reduziert. Das Ergebnis der infas Holding ist nicht schlecht. Aber wenn sich ein Interessent meldet, werde sie auch Gespräche über eine Veräußerung der restlichen Beteiligung führen. Der Aufsichtsrat hat diesem Vorhaben zugestimmt.
Sehr kritisch bewertete Herr Hock, dass die Marktkapitalisierung der Effecten-Spiegel AG nur noch 45 Mio. Euro beträgt. 2017 waren es noch 72 Mio. Euro gewesen. Zwar hat es über die Jahre immer schöne Dividenden gegeben. Der Börsenwert ist nach seiner Rechnung aber noch stärker zurückgegangen. Auffällig fand er auch, dass die Aktie aktuell ganz erheblich unter dem Net Asset Value (NAV) notiert, der sich zum 31. März 2023 mit 18,19 Euro errechnete. Er wollte wissen, was Vorstand und Aufsichtsrat unternehmen, um diesen Abschlag zumindest zu verringern.
Nach Aussage von Frau Weidtmann hat das Unternehmen kaum Möglichkeiten, die Kursentwicklung der Aktie zu beeinflussen. Vor einigen Jahren habe man angefangen, jedes Quartal den NAV und die zehn größten Positionen zu veröffentlichen, um durch mehr Transparenz den Kurs positiv zu beeinflussen. Das hat jedoch kaum Wirkung gezeigt. Enttäuschend war auch, dass selbst 2020, als die deutschen Unternehmen „reihenweise ihre Dividenden gestrichen haben“, die Ausschüttung von 0,55 Euro beim ES dem Kurs der Aktie nicht geholfen hat. Und auch im letzten Jahr hat die Dividendenausschüttung von 1,05 Euro kaum Wirkung im Kurs gezeigt. Letztlich ist es aber Fakt, dass die Aktien vieler Beteiligungsgesellschaften unter ihrem NAV notieren.
Herr Göddecke äußerte sein Bedauern, dass nach vielen Jahren mit attraktiver Dividende die Stammaktionäre diesmal komplett leer ausgehen. Nach Meinung von Aktionär Rüther hätte die Gesellschaft mit Blick auf die unverändert sehr starke Eigenkapitalsituation trotz des Fehlbetrags eine Dividende zahlen sollen. Frau Weidtmann stimmte zu, dass eine Ausschüttung grundsätzlich möglich gewesen wäre. Es erschien Vorstand und Aufsichtsrat aber nicht sinnvoll, dafür die Substanz anzugreifen.
Dem Geschäftsbericht hatte Herr Rüther entnommen, dass sich zum Bilanzstichtag weiterhin hohe stille Lasten im Portfolio befunden haben. Ihn interessierte, welche Werte dies betrifft und wie sich die Kurse dieser Aktien seither verändert haben. Nach Aussage von Frau Weidtmann finden sich große stille Lasten vor allem bei fundamental starken Werten wie Disney und Fresenius sowie BASF und Lanxess. Des Weiteren nannte sie Werte wie Sixt und Zalando sowie Siltronic, Mobotix, Bechtle, Dürr und Henkel. In vielen Fällen ist die Lücke im laufenden Jahr tatsächlich schon kleiner geworden.
Honoriert wurde von allen Rednern, dass sich das Verlagsgeschäft weiterhin profitabel entwickelt. Wichtig war Herrn Borowski allerdings die Frage, wie mit den anhaltenden Preissteigerungen umgegangen wird. Nach seiner Überlegung wäre es vielleicht eine Idee, den Effecten-Spiegel nur noch digital zu veröffentlichen und nicht mehr als gedruckte Zeitschrift. Für Herrn Göddecke stellte sich in diesem Zusammenhang die Frage nach der Altersstruktur der Leser. Nach seiner Einschätzung dürfte es relativ viele ältere Abonnenten geben, die Wert auf eine gedruckte Ausgabe legen.
Frau Weidtmann führte aus, dass der jetzige Abonnementpreis durch die mehrfachen Anhebungen in den Jahren 2021 und 2022 aktuell kostendeckend sei. Man habe die Gründe gegenüber den Lesern stets offen kommuniziert und sei auch meist auf Verständnis gestoßen, zumal in Zeiten immer mehr um sich greifender Fake News eine seriöse Berichterstattung unbedingt gewünscht ist. Natürlich achte man auch darauf, effizient zu arbeiten. Aktuell gibt es kostenseitig noch etwas Luft.
Die Umstellung auf digital muss, insoweit bestätigte Frau Weidtmann den DSW-Vertreter, natürlich das Ziel sein. In dieser Hinsicht habe man auch schon viel probiert. In der Vergangenheit war es allerdings nicht einfach gewesen, online Geld zu verdienen, nachdem im Internet zu viele Informationen kostenlos verfügbar waren. Inzwischen befinden sich aber immer mehr Angebote hinter einer Bezahlschranke. Tatsächlich steigt der Online-Anteil von Quartal zu Quartal an. Komplett ersetzen könnte er die Print-Ausgabe aber nicht. Insbesondere die Abonnenten, die schon seit Jahrzehnten treue Leser sind und letztlich das Verlagsgeschäft tragen, wollen eine gedruckte Zeitschrift. Allerdings ist es richtig, dass die Zahl dieser Leser tendenziell zurückgeht.
Daran anknüpfend wollte Herr Borowski wissen, was die Agenturen kosten, die für den Ausbau des Digitalgeschäfts eingeschaltet werden. Nach Angabe von Frau Weidtmann sind derzeit zwei Agenturen beauftragt. Die Kosten beliefen sich 2022 auf 111 TEUR. Ein großes Projekt ist es derzeit, mit starken Kampagnen die Sichtbarkeit des Effecten-Spiegel im Internet zu erhöhen, die, hier stimmte sie dem DSW-Sprecher zu, noch zu niedrig ist. Allerdings ist dies ein längerer Weg.
Entschieden lehnte Frau Weidtmann jedoch die von Herrn Hock ins Spiel gebrachte vollständige Aufgabe des Verlagsgeschäfts ab. Der Verlag sei die Keimzelle der Effecten-Spiegel AG und die Marke des Unternehmens. In dieser Hinsicht sei man auch der Tradition verpflichtet. Zudem gebe es dafür keinen Grund, da der Verlag in all den Jahrzehnten stets profitabel war und bis heute ist.
Des Weiteren hatte Herr Borowski im Geschäftsbericht den Hinweis gefunden, dass es noch einen Leoni-Aktienbestand gibt. Auf Nachfrage teilte Frau Weidtmann mit, dass die Leoni-Aktien seit Januar dieses Jahres sukzessive verkauft wurden. Sie stimmte zu, dass es für die Aktienkultur eine Katastrophe wäre, wenn das Vorgehen bei Leoni Nachahmer finden würde. Der Effecten-Spiegel wird aber rechtlich nichts unternehmen, dafür war der Bestand zu klein.
Des Weiteren wollte Herr Hock wissen, wie hoch die Mietkosten sind und in welchem Geschäftsverhältnis die Gesellschaft zur Verlag Blazek & Bergmann seit 1891 GmbH steht. Frau Weidtmann verwies auf den erstellten Abhängigkeitsbericht und sagte, dass die Effecten-Spiegel AG die 210 qm große Bürofläche von der Blazek & Bergmann für eine Jahresmiete von 19.390 Euro anmietet. Außerdem werden Print-Werbeaufträge vermittelt, deren Volumen allerdings stark zurückgegangen ist.
Ein weiteres Thema von Aktionär Hock waren die beiden Fonds, die die Effecten-Spiegel AG vor einigen Jahren lizenziert hat. Die Zielsetzung war, wie Frau Weidtmann auf seine Frage hin mitteilte, die Marke noch breiter zu nutzen. Das Risiko eines möglichen Imageschadens wurde vorab natürlich diskutiert. Man kenne den Fondsmanager aber schon lange und mit der Performance ist man zufrieden. Die Volumina waren jedoch zu gering, weshalb die beiden Fonds inzwischen zusammengelegt wurden. Als Lizenzgebühr konnten im vergangenen Jahr 42 TEUR vereinnahmt werden.
Des Weiteren wollte Herr Hock wissen, welche Pläne die Gesellschaft mit den eigenen Aktien verfolgt, die sich schon seit vielen Jahren im Bestand befinden. Ihm erschien dies wenig sinnvoll, es handelt sich letztlich um „totes Kapital.“
Wie Frau Weidtmann ausführte, befanden sich diese Aktien schon vor ihrem Amtsantritt vor 15 Jahren im Bestand. Die Verwendungsmöglichkeiten sind gemäß des damaligen Hauptversammlungsbeschlusses auf den Verkauf über die Börse und die Einziehung (Vernichtung) beschränkt. Grundsätzlich stimmte die Firmenchefin zu, dass die eigenen Aktien Kapital binden, das für Investments damit nicht zur Verfügung steht. Aber diese Aktien haben auch einen wirtschaftlichen Wert als Depotposition. Eine Vernichtung macht aus ihrer Sicht daher keinen Sinn und würde den Nettoinventarwert schwächen, ein Verkauf über die Börse den Aktienkurs weiter drücken. Sie will dieses Thema aber gern noch einmal mit dem Aufsichtsrat besprechen.
Zu TOP 7, unter dem die Satzung um die Möglichkeit einer virtuellen Hauptversammlung ergänzt werden sollte, hatten sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende als auch der Vorstand bereits vor Eintritt in die Debatte Stellung genommen. Beide hatten ausdrücklich klargestellt, dass dies nur im Ausnahmefall greifen würde. Dennoch entzündeten sich an dem Thema die Gemüter der Aktionäre.
Gerade vor diesem Hintergrund schien es Herrn Borowski unnötig, überhaupt einen Beschluss zur virtuellen Hauptversammlung zu treffen. Gegebenenfalls würde der Gesetzgeber seiner Meinung nach dann schon tätig werden. Auch sein Kollege von der SdK sprach sich gegen diese Beschlussfassung aus. Aktionär Rüther missfiel vor allem, dass eine pauschale Ermächtigung erteilt werden soll. Man hätte den Beschluss auch anders formulieren können. In ihrer Antwort versicherte Frau Weidtmann erneut, dass die Beschlussfassung rein vorsorglich erfolgen soll. Wie sie in Erinnerung rief, hat es während der Corona-Pandemie zeitweise eine erhebliche Unsicherheit gegeben, was möglich ist und was nicht, und man wisse nicht, was die Zukunft bringt. Letztlich geht es einfach darum, auch in dieser Hinsicht vorbereitet zu sein.
Abstimmungen
Vor Eintritt in die Abstimmungen verkündete Herr Aleff die Präsenz. Zu diesem Zeitpunkt waren auf der Hauptversammlung 888.219 Stammaktien vertreten. Bezogen auf das gesamte stimmberechtigte Grundkapital und bei Berücksichtigung der im eigenen Bestand befindlichen Aktien entsprach dies einer Quote von 54,99 %.
Die Zahlung einer Dividende von 0,16 Euro auf die Vorzugsaktien (TOP 2), die Entlastung von Vorstand (TOP 3) und Aufsichtsrat (TOP 4) und die Festsetzung der Mitglieder des Aufsichtsrats (TOP 5) wurde mit Mehrheiten über 98 % beschlossen.
Bei der Bestellung der Wisbert Treuhand GmbH zum Abschlussprüfer (TOP 6) und der rein vorsorglichen Ergänzung der Satzung um die Ermöglichung von virtuellen Hauptversammlungen (TOP 7) lag die Zustimmungsquote bei etwas mehr als 95 %.
Um 14:30 Uhr schloss der Vorsitzende die Versammlung.
Fazit
Nachdem die Effecten-Spiegel AG viele Jahre und auch in Zeiten wie Finanzkrise oder Coronapandemie stets mit soliden Gewinnen abgeschlossen und attraktive Dividenden gezahlt hat, steht für das Geschäftsjahr 2022 erstmals ein Fehlbetrag zu Buche, und die Stammaktionäre müssen auf eine Ausschüttung komplett verzichten. Ursächlich hierfür war das sehr negative Börsenumfeld, dem sich Beteiligungsgesellschaften kaum entziehen konnten, nachdem alle Asset-Klassen gleichermaßen betroffen waren. Ein Lichtblick in 2022 war erfreulicherweise, dass sich das Verlagsgeschäft weiterhin profitabel entwickelt, obwohl das Marktumfeld auch hier alles andere als einfach war und ist.
Die Aktie hat vor dem Hintergrund der negativen Ertragsentwicklung deutlich an Wert verloren. Der Abschlag zum NAV, der sich zum 31. März 2023 mit 18,19 Euro errechnet, hat sich damit noch einmal vergrößert. Die Stammaktien werden jetzt 32 % und die Vorzüge sogar 37 % unter ihrem rechnerischen Wert gehandelt. Das erscheint jedoch deutlich übertrieben.
Für Anleger eröffnet sich damit auf dem aktuellen Kursniveau die Chance, mit einem großen Discount in ein breit diversifiziertes Depot an soliden und dividendenstarken Unternehmen zu investieren, die mittel- und längerfristig wieder eine stärkere Performance aufweisen sollen. Zudem dürfte die Lücke zum NAV in besseren Börsenphasen wieder kleiner werden, was zusätzliches Potenzial eröffnet. Nicht zuletzt sind in Zukunft wohl wieder attraktive Ausschüttungen zu erwarten. In der Gesamtschau ist die Effecten-Spiegel-Aktie auf dem stark gedrückten Niveau ein interessantes Investment.