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Harris vs. Trump – Der Faktencheck

Um 2:50 Uhr MEZ trafen sich die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump zur ersten TV-Debatte in Pennsylvania. Gut zwei Stunden lang wurde z.T. hitzig diskutiert – ein klarer Sieger steht jedoch bisher nicht fest. Harris wird in einer Zuschauerbefragung nach dem TV-Duell jedoch ein wenig positiver wahrgenommen als ihr republikanischer Kontrahent Trump. 45 % der Befragten äußerten eine wohlwollende Meinung von Harris, Trump kam auf 39 %. Dies geht aus einer Befragung registrierter Wähler hervor, die das TV-Duell gesehen haben. Die Erhebung wurde von einem Umfrageinstitut für mehrere US-Medien wie dem Fernsehsender CNN durchgeführt. 

Wir haben das Aufeinandertreffen kurz in unserem Faktencheck zusammengefasst: 

Rund zwei Monate vor der US-Wahl haben sich die beiden US-Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump bei ihrem ersten TV-Duell einen hitzigen Schlagabtausch geliefert. In diesem warfen sie einander unter anderem vor, das Land heruntergewirtschaftet zu haben, keinen Plan für die drängenden Probleme zu haben und Lügen zu verbreiten. Ein prüfender Blick auf die Aussagen: 

  • Trump gab etwa an, während seiner Amtszeit "praktisch keine Inflation" gehabt zu haben. Präsident Biden und Kamala Harris hätten die höchste Inflation in der Geschichte der USA. Die Aussage lässt sich jedoch leicht widerlegen: Seit Gründung der Vereinigten Staaten im Jahr 1776 wurde die höchste jährliche Inflationsrate im Jahr 1778 mit 29,78 % verzeichnet. Im Zeitraum seit der Einführung des Verbraucherpreisindexes lag die höchste Inflationsrate im Jahr 1917 bei 20,49 %. Die Inflation war zu seiner Amtszeit niedriger als heute, aber sie existierte: Sie kumulierte sich auf 8 % während seiner Präsidentschaft (gegenüber 19 % unter Präsident Biden bisher) und 1,4 % im Jahresvergleich im letzten Monat seiner Amtszeit gegenüber den aktuellen 2,9 % (Stand: Juli 2024). 
     
  • Ein großer Punkt innerhalb des Präsidentschafts-Wahlkampfes ist auch immer wieder die Abtreibungspolitik. In den letzten Monaten wurden die Regelungen, bis hin zu ganzen Verboten immer wieter verschärft – verursacht durch Gesetzesänderungen der ehemaligen Trump-Regierung! Nun behauptet der verurteilte Präsidentschaftskandidat, dass die Politik der Demokraten es erlaube, das Leben eines Babys im neunten Monat zu nehmen. 

Fakt ist , dass eine vorsätzliche Tötung eines Neugeborenen strafrechtlich als Kindstötung eingestuft und in den gesamten USA illegal. Harris und ihr Vize-Kandidat, Tim Walz, befürwortet die Beibehaltung der bisherigen Gesetzgebung, die Abtreibungen bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt, normalerweise bis etwa zur 24. Schwangerschaftswoche. Danach sind Abtreibungen nur noch in Fällen erlaubt, in denen das Leben oder die Gesundheit der Mutter in Gefahr ist. Etwa im Falle einer Fehlgeburt oder dem Tod des Fötus im Mutterleib. "Die Regierung und ganz sicher Donald Trump sollten einer Frau sicherlich nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Körper zu tun hat", so Harris und versprach, im Fall eines Wahlsieges wolle sie das Recht auf Abtreibung per Gesetz festschreiben wollen. Dafür bräuchte Harris aber eine entsprechende Mehrheit im Kongress. 

  • Auch Trumps mehrfach getätigte Aussage "Ich hatte mehr Stimmen als jeder Republikaner in der Geschichte. Sogar bei weitem als jeder Präsident" ist schlichtweg falsch.  
    Der Begriff "Popular Vote" steht für ein Wahlverfahren, bei dem die Wähler den Kandidaten direkt wählen. Obwohl Trump die Präsidentenwahl 2016 gegen Hilary Clinton gewann, lag seine demokratische Rivalin landesweit mit mehr als 2,8 Mio. dieser Wählerstimmen vor Trump. Letztlich gewann er mit den ausschlaggebenden Stimmen der Wahlleute des Electoral College. 

Der Präsident und der Vizepräsident der USA werden formell durch ein sogenanntes Wahlkollegium (Electoral College) gewählt. Die Mitglieder dieses Kollegiums werden durch die Volksabstimmung in jedem Staat gewählt. Um zum Präsidenten gewählt zu werden, muss ein Kandidat die Mehrheit der Wahlstimmen erhalten. Erhält kein Kandidat die Mehrheit, wird der Präsident vom Repräsentantenhaus gewählt, das zwischen den drei Kandidaten mit den meisten Stimmen wählen kann. 

  • Allerdings muss auch eine Aussage von Kamala Harris mit kritischem Blick betrachtet werden. Sie gab an, Trump habe die schlimmste Arbeitslosigkeit seit der "Großen Depression" hinterlassen. Harris beklagte, Trump habe das Land 2021 in einem desaströsen Zustand hinterlassen – mit der größten Arbeitslosigkeit seit der "Großen Depression", der schlimmsten Epidemie im Gesundheitswesen seit einem Jahrhundert und mit dem schlimmsten Angriff auf die amerikanische Demokratie seit dem Bürgerkrieg. "Und was wir getan haben, ist Donald Trumps Chaos aufzuräumen." 

Die sogenannte "Große Depression" hatte bis 1933 in fast allen Industrieländern der Welt zu Massenarbeitslosigkeit, sinkenden Preisen und Löhnen sowie Bankenkrisen geführt. Im April 2020, als Trump damals noch im Amt war, erreichte die Arbeitslosenquote einen Höchststand von 14,8 % – nach Angaben des "Bureau of Labor Statistics" war dies tatsächlich der höchste Stand seit der Großen Depression. 
Als Trump im Januar 2021 aus dem Amt schied, ging die Arbeitslosigkeit jedoch auf 6,4 % zurück, da die Wirtschaft begann, sich wieder zu erholen. Diese Arbeitslosenquote von 6,4 % ist entgegen Harris' Behauptung noch immer besser als der Höchststand von 10 % während der "Großen Rezession" im Oktober 2009.

Wenn es hier nicht um das Präsidentenamt eines der wirtschaftsstärksten Länder der Welt ginge, könnte man auch über durchaus kuriose Aussagen Trumps, wie dass illegale Einwanderer in Springfield (Ohio) Haustiere "entführen" und verspeisen würden, hinwegsehen. Dass er die Korrektur der Reporter ignorierte und seine Behauptungen weiter verteidigte, ist dann schon schwieriger. Er blieb zumindest seinem aggressiven Debatierstil treu, was bei vielen Amerikanern gut ankommt. 

Kamala Harris versuchte die Angriffe zwar stets mit Argumenten zu widerlegen, ob dies jedoch bei den sogenannten "Swing"-Wählern zu einer Entscheidung für die Demokraten geführt hat, wird sich erst in den kommenden Wochen zeigen. 

In den kommenden Wochen bis zur Wahl bleibt es also weiterhin spannend. Was dies für die Aktienmärkte bedeuten könnte, lesen Sie im aktuellen Thema der Woche. Diesen Artikel finden Sie HIER