Jahrelang war die Energiewende vor allem hierzulande nur eine Absichtserklärung. Doch mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges wurde schlagartig klar, so kann es nicht weitergehen! Seitdem steht die Energiebranche im wahrsten Sinne des Wortes unter Strom. Die aktuellen Zwischenbilanzen lieferten eine durchweg interessante Wasserstandsmeldung für diesen Bereich.
Der Krieg in der Ukraine hat die Welt aus ihren Fugen gerissen, und die Kernfrage zur deutschen Energieversorgung im Winter ist noch längst nicht gelöst. Doch die aktuellen Halbjahreszahlen geben eine wahrlich optimistische Wasserstandsmeldung über den Zustand der Branchenvertreter. Insbesondere für Anleger mit grüner Ausrichtung wird es jetzt nochmals richtig spannend. Denn nach der monatelangen Hängepartie löste US-Präsident Joe Biden mit der Verabschiedung des „Inflation Reduction Act“ (vgl. Randnotizen 32/22) endlich eines seiner wichtigsten Wahlversprechen ein. Auch wenn sein Klimapaket deutlich abgespeckt wurde, fließen in den nächsten 10 Jahren immerhin gut 433 Mrd. $ Subventionen u.a. in den Bau neuer Wind-, Solar- und Wasserkraftwerke. Die grüne Welle zu reiten lohnt sich also!
RWE hält die meisten Trümpfe
Mit Argusaugen haben die Marktteilnehmer auf das Zahlenwerk der zwei großen deutschen Energieversorger gewartet. Hierbei konnte ganz klar RWE (ISIN: DE0007037129) mit seiner grünen Ausrichtung (Windkraft an Land/auf See, Solar, Energiehandel, Biomasse) elektrisieren. So baute der Versorger seinen Konzerngewinn im 1. Halbjahr um 45 % auf knapp 2,1 Mrd. € aus. Und weil die Nachfrage nach erneuerbarer Energie immer stärker anzieht, beschleunigt der DAX-Konzern den Ausbau nochmals. Im Geschäftjahr 2022 fließen mehr als 5 Mrd. € in das „grüne Portfolio“ des Unternehmens. Das sind schlappe 30 % mehr als bislang geplant. Leisten kann sich RWE die Investitionen locker. Denn nur in der Kriegskasse liegt schon ein Nettovermögen per Ende Juni von 1,9 Mrd. €! Die bereits Ende Juli erhöhte Jahresprognose eines Ebitda von 5 bis 5,5 (zuvor 3,6 bis 4) Mrd. € hat die Aktie bereits elektrisiert, womit die Luft für weitere Kurssprünge kurzfristig etwas dünner ist. Dennoch werden keine Stücke aus der Hand gegeben – ganz im Gegenteil!
Der Wettbewerber E.on (ISIN: DE000ENAG999) hat kursmäßig sicherlich noch größeren Nachholbedarf, wenngleich die Ausgangsposition schwieriger ist. Denn die hohen Strompreise nagten zuletzt am Profit des Energieprimus, selbst wenn inzwischen ein Teil an die Kunden weitergereicht werden konnte. Zugleich ist der Konzern mit 15,5 % an der Gaspipeline Nord Stream 1 beteiligt, die angesichts der reduzierten Liefermengen durch Russland bereits seit Wochen für negative Schlagzeilen sorgt. Nun schrieb E.on mit rd. 700 Mio. € mehr als die Häfte seiner Beteiligung ab. Das Ebitda ging schlussendlich im 1. Semester um 15 % auf 4,1 Mrd. € zurück. Beim bereinigten Überschuss standen mit 1,41 (1,77) Mrd. € entsprechend ebenfalls weniger in den Büchern. Die Bestätigung des Ausblicks ist hingegen ein absolut starkes Signal! Und auch die soeben beschlossene Gasumlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde dürfte sich auf das Geschäft sicherlich positiv auswirken, womit spekulative Engagements gerechtfertigt sind.
In den vergangenen Wochen fanden indes zwischen der Bundesregierung und den beiden Energieversorgern immer wieder Debatten über das „Wie“ in den Wintermonaten statt. Dabei schließen weder die Essener noch die Düsseldorfer eine längere Laufzeit für ihre Atomkraftwerke nicht aus. „Wichtig ist, dass jetzt ein Stressetest gemacht wird“, so RWE-Vorstandschef Markus Krebber zur AKW-Laufzeitverlängerung und diesen werde man erst einmal abwarten und sich dann wieder mit der Politik zusammensetzen.
US-Klimapaket befeuert Öko-Aktien
In der Tat sorgten die angekündigten Klimamilliarden der US-Regierung für eine echte Sonnenaufgangsstimmung in der Branche. Denn angesichts des aktuell verschärften Tons zwischen den USA und China dürften Vertreter aus dem Reich der Mitte wohl weniger ins Bieterverfahren um die anstehenden Großprojekte von US-Präsident Biden einbezogen werden. Mit dieser Hoffnung wurde die Aktie von SMA Solar (ISIN: DE000A0DJ6J9) regelrecht wachgeküsst. Denn der Photovoltaik- und Speicher-Systemtechnikspezialist ist einer der letzten deutschen Branchenvertreter, der auf dem Weltmarkt überhaupt noch eine Rolle spielt. Und dies, obwohl das jüngste Zahlenwerk für das 1. Halbjahr zunächst schwer im Magen der Aktionäre gelegen haben dürfte. Denn während der Umsatz bei 472 (488) Mio. € mehr oder weniger verharrte, rutschte das Unternehmen unter dem Strich mit –10,6 (13,3) Mio. € in die roten Zahlen. Vor allem die Lieferkettenschwierigkeiten warfen große Schatten über die Bilanz. Doch hier schafft der Konzern Abhilfe und arbeitet auf Hochtouren, um dem starken globalen Mangel an elektronischen Bauteilen zu begegnen, so der Konzern auf ES-Anfrage.
Zudem rüstet sich das Unternehmen mit dem Bau einer neuen Gigawatt-Fabrik in Kassel auf den erwarteten Ansturm. So soll immerhin die Produktionskapazität bis 2024 verdoppelt werden! Im Übrigen lohnt sich auch ein Blick auf die Kapitalbasis, denn die ist mit einer EK-Quote von zuletzt 39,1 % im aktuellen Umfeld recht komfortabel. Spekulative Anleger sollten dennoch vor dem Einstieg eine Abkühlung bei der SDAX-Aktie abwarten, dann aber zuschlagen!
Deutlich sicherer im Windkanal stehen bereits Encavis (ISIN: DE0006095003), wie der Zwischenbericht für die erste Jahreshälfte zeigte. Die Notierung konnte sich inzwischen von der allgemeinen Unsicherheit wieder lösen – und dies zu Recht. Das operative Geschäft des Wind- und Solarparkbetreibers brummt. So konnten die Hamburger die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien um 17 % auf rd. 1.694 Gigawattstunden hochfahren. Entsprechend wuchs der Umsatz um 40 % auf 226,4 Mio. €. Ebenso haben es die übrigen Kennziffern in sich. Das Ebitda machte einen Satz um 40 % auf 170,6 Mio. €. Dabei ist der Mehrumsatz durch die hohen Strompreise noch nicht vollständig in den Ergebniskennzahlen berücksichtigt. Außerdem investiert Encavis weiter in sein Portfolio, um die Produktivität noch zu steigern. Nichtsdestotrotz hatte der Gewinn je Aktie mit einem Anstieg um 83 % auf 0,33 € kräftigen Rückenwind. Diesen sollte auch der Kurs in den kommenden Monaten unvermindert haben. Erst recht, wenn das Unternehmen die erfreulichen Geschäftsversprechen für 2022 erfüllt. So wird ein Wachstum beim Umsatz um 26 % auf über 420 Mio. € und beim Gewinn je Aktie um 15 % auf 0,55 € gesehen.
Egal, welche Witterung in den vergangenen Monaten an der Börse herrschte, das Papier von Energiekontor (ISIN: DE0005313506) zeigte sich völlig unbeeindruckt. Von kurzen Zwischentiefs erholte sich der Kurs schlagartig und die 200-Tage-Linie wurde maximal von oben touchiert. Der Bericht zum 1. Halbjahr untermauerte nun auch die Standfestigkeit der Aktie. Die Umsätze des zu den führenden deutschen Projektentwicklern und Betreibern von Wind- und Solarparks zählenden Konzerns legten auf 52,5 (40,2) Mio. € zu. Deutlich schneller kam die Profitabilität in Schwung. Der Gewinn der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (Ebit) sprang auf rd. 12,2 (8,0) Mio. €. Unter dem Strich meldete Energiekontor einen Zuwachs auf 8,5 (5,7) Mio. €. Die langfristigen Perspektiven überzeugen auf ganzer Linie, allerdings ist der Outperformer auch bereits ambitioniert bewertet. Aber seinen festen Platz sollte das Papier auf jeden Fall im grünen Depot behalten.
Auf gute Nachbarschaft!
Für international ausgerichtete Anleger lohnt sich selbstverständlich ein Blick zu unseren Nachbarn. In Dänemark sitzt der weltweit größte Entwickler von Offshore-Windparks Ørsted (ISIN: DK0060094928). In Deutschland betreibt der Konzern insgesamt vier Offshore-Windparks in der Nordsee und versorgt umgerechnet etwa 1,4 Mio. Haushalte mit grünem Strom. Zwar verfehlte das Unternehmen mit seinen jüngsten Zahlen zum 2. Quartal die Markterwartungen, ABER zugleich wurde die 2022er Prognose für den operativen Gewinn (Ebitda) auf zwischen 20 und 22 (bislang 19 bis 21) Mrd. DKK angehoben. Dies sollte in den kommenden Monaten durchaus für einen Rebound bei der Aktie gut sein. Auch hier stimulieren die mehr als ehrgeizigen Öko-Pläne Europas und der USA.
Etwas weiter nördlich treffen Energieinvestoren auf einen weiteren Top-Favoriten: Equinor (ISIN: NO0010096985). Zwischen Deutschland und Norwegen besteht seit über 40 Jahren eine Energiepartnerschaft, zu der auch das Unternehmen gehört. Nach Russland ist Norwegen unser zweitgrößter Gaslieferant und profitiert somit selbstverständlich von den Preisexplosionen. Aktuell deckt das Land 30 % des deutschen Gasbedarfs ab. Konkret in Zahlen ausgedrückt: Von Januar bis April exportierte Norwegen fast 15 Mrd. Kubikmeter Erdgas nach Deutschland und damit fast doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum. Somit verwundert es wenig, dass Bundeskanzler Olaf Scholz jüngst nach der Sommerpause seine erste Reise Richtung Norden antrat. Seinen Ursprung hat Equinor zwar in der Gas- und Ölversorgung, allerdings fokussiert sich der Konzern schon längst auch auf erneuerbare Energien. Weltweit investiert das Unternehmen in Windparks in Großbritannien, Deutschland, USA oder Solarparks in Argentinien. Zwischen den Jahren 2021 und 2026 will Equinor etwa 19,6 Mrd. € in erneuerbare Energien investieren.
Europas zweitgrößter Gaslieferant profitiert stark von den aktuellen Entwicklungen auf dem Energiemarkt. So konnten die Norweger ihre Gasproduktion allein im 2. Quartal um
18 % hochfahren und zugleich noch höhere Preise durchsetzen. Dies schlug selbstverständlich in der Halbjahresbilanz mit einem Anstieg des Nettogewinns auf 11,48 (3,80)
Mrd. $ voll durch. Der freie Cashflow kletterte ebenso auf 19,65 (9,68) Mrd. $. Und die Profite dürften noch höher sprudeln. Norwegen ist für Deutschland schließlich auch als Lieferant von Flüssiggas (LNG) erster Ansprechpartner. Die größte europäische LNG-Anlage im nordnorwegischen Hammerfest (Equinor ist der Betreiber) produziert rd. 4,7 Mio. Tonnen LNG im Jahr, und die Tendenz ist steigend. Für die Einfuhr von LNG will Deutschland von Norwegen zwei schwimmende Flüssiggasterminals mieten. Und es geht noch weiter! Norwegen und Deutschland prüfen derzeit zudem den Bau einer Pipeline für die Einfuhr von grünem Wasserstoff aus Norwegen. Wasserstoff gilt als klimafreundliche Zukunftsenergie. Nicht nur für Deutschland führt kein Weg an Equinor vorbei!
Die Wende in der Energiebranche ist nun Realität. Für Anleger waren die Kurs-Chancen schon lange nicht mehr so gut. Mit den Top-Performern geben Investoren ihrem Depot jetzt den Energieschub!