Die Brummibranche drückt wieder kräftig auf‘s Gas. Aber auch hier steht der Klimawandel ganz oben auf der Agenda. Der Schadstoffausstoß der Lkw-Flotten muss reduziert werden, und dabei fahren die Hersteller auf Brennstoffzellen ab.
Die internationalen Märkte für schwere Nutzfahrzeuge über sechs Tonnen haben sich im vergangenen Jahr im Zuge der Coronakrise zunächst noch uneinheitlich entwickelt. In vielen Ländern waren Absatzrückgänge im zweistelligen Prozentbereich zu beobachten. Viele Fuhrparkbetreiber hielten sich innerhalb der Coronakrise mit Flottenerneuerungen zurück. Bei den Neuzulassungen in Europa kam es zu einem Rückgang um 27 % auf 272.000 Fahrzeuge, allerdings lief es in der 2. Jahreshälfte schon wieder deutlich besser. Ein ähnliches Bild ergibt sich in den USA, hier wurden 410.000 schwere Trucks abgesetzt und damit 22 % weniger als 2019. Nur der chinesische Markt beschleunigte schon wieder. Mit 1,78 Mio. Fahrzeugen fuhr der Absatz um 35 % hoch. Damit kam China 2020 auf einen Lkw-Weltmarktanteil von 52 %. Jeder zweite Brummi weltweit wurde somit in China abgesetzt. In 2021 sieht nun alles nach einer internationalen Branchenerholung aus. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) geht für den europäischen Lkw-Markt von einem Zuwachs um 15 % auf 312.000 Fahrzeuge aus. Der US-Markt dürfte ebenfalls um 15 % auf 472.000 Fahrzeuge hochschalten.
„Nach der Rezession der Weltwirtschaft im vergangenen Jahr – bedingt durch COVID-19 – rechnen wir für das Jahr 2021, dass sich die Weltwirtschaft kräftig erholen wird. Diese konjunkturelle Belebung sollte auch für die wichtigsten Lkw-Märkte gelten: Für die Regionen Nordamerika und EU30 rechnen wir mit einem deutlichen Anstieg der Märkte für schwere Lkw“, erklärt Daimler Trucks auf ES-Anfrage.
Doch auch in China bleibt der Hunger nach technologischen Neuerscheinungen weiterhin hoch. Schließlich werden die internationalen Forderungen nach einer klimaneutralen Mobilität immer dringender, bei gleichzeitig hoher Nachfrage nach Nutzfahrzeugen. Auch in Deutschland sind Lastkraftwagen die am stärksten genutzten Verkehrsmittel im Güterverkehr. Der Anteil an der insgesamt erbrachten Transportleistung lag 2019 bei rd. 71 % und soll bis 2023 noch einmal deutlich zunehmen. Damit wächst der Druck aus der Politik, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Denn noch ist die Transportwirtschaft für rd. ein Fünftel des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Doch dies soll sich in absehbarer Zeit ändern. Zu diesem Zweck bilden sich inzwischen viele interessante Technologie-Allianzen. Schließlich müssen auch die zukünftigen Zugmaschinen weiterhin verlässlich unter ganz unterschiedlichen Bedingungen mehr als eine Million Kilometer Reichweite erbringen und das bei geringerem Schadstoffausstoß.
Die Branchenschwergewichte Daimler Trucks und Volvo Trucks haben Ende 2020 vereinbart, ihre Aktivitäten bei den Brennstoffzellen-Antrieben in ein gemeinsames Joint Venture mit dem Namen Cellcentric einzubringen. Abgesehen von dieser Zusammenarbeit sind die beiden Truck-Spezialisten auch in der Interessengemeinschaft H2Accelerate mit dem Lkw-Hersteller Iveco und den Ölkonzernen Shell und OMV vertreten. Sie hat sich auf die Fahne geschrieben, dem Brennstoffzellen-Antrieb im Fernlastverkehr zum Durchbruch zu verhelfen. Hintergrund ist natürlich auch hier, dass sich immer mehr Länder und Unternehmen zu einem emissionsfreien Transport bekennen und Wasserstoff spielt als zentrales Element der vollständigen Dekar-bonisierung des Lkw-Bereichs dabei eine entscheidende Rolle. „Die Einführung von wasserstoffangetriebenen Lkw in hohen Stückzahlen kann die Entstehung neuer Industriebereiche bedeuten: Branchenweit synchronisierte Investitionen in den 2020er Jahren werden den an H2A beteiligten Unternehmen zufolge die Einführung von wasserstoffangetriebenen schweren Lkw in großem Maße unterstützen“, erklärte dazu Daimler Trucks.
Die Daimler-Sparte soll noch in diesem Jahr am Aktienmarkt vorfahren. Der Automobilkonzern fährt damit im Windschatten von Konkurrent VW und spaltet seine Truck- und Bussparte ab. Dadurch werden die Werte, die in den einzelnen Unternehmensteilen stecken, zukünftig stärker in den Vordergrund treten. Der Börsenwert von Daimler Trucks wird innerhalb des Konzerns mit 30 bis 35 Mrd. € taxiert. Ist die Sparte demnächst alleine unterwegs, dann sind durchaus 40 bis 45 Mrd. € drin.
Obwohl es sich bei Daimler Trucks um den weltgrößten Hersteller von Nutzfahrzeugen über sechs Tonnen handelt, galten Lastwagen und Busse in Stuttgart bisher als „second business“. Das soll sich durch die Abspaltung ändern. Im Coronajahr 2020 musste die Brummisparte allerdings auch einen Umsatzrücksetzer von 44 auf 35 Mrd. € hinnehmen. Nach einem Verlust zum Halbjahr stand nach zwölf Monaten aber ein kleiner Betriebsgewinn von 525 Mio. € in den Büchern. Jetzt will der Börsenaspirant aber deutlich beschleunigen.
Dabei ist vorgesehen, stärker vom Wachs-tumspotenzial im weltgrößten Nutzfahrzeugmarkt China zu profitieren. Mit dem chinesischen Partner Beiqi Foton Motor Co., Ltd., werden künftig im Rahmen des gemeinsamen Joint Venture Beijing Foton Daimler Automotive (BFDA) schwere Sattelzugmaschinen der Marke Mercedes-Benz in China für den dortigen Markt produziert. Doch auch auf dem US-Markt wollen die Stuttgarter noch weiter angreifen. „Im wichtigen nordamerikanischen Markt haben wir mit Daimler Trucks North America (DTNA) einen komplett neuen Western Star Lkw präsentiert. Und schon heute sind die DTNA im Langstreckensegment die unangefochtenen Marktführer.
In Schweden ist ein weiterer großer Nutzfahrzeughersteller zuhause. Abgesehen von der Kooperation mit Daimler im Zusammenhang mit der Brennstoffzellen-Technologie hat sich Volvo Trucks erstaunlich gut durch die Coronakrise navigiert. Während der Umsatz vor allem wegen negativer Währungseffekte auf 338,4 (431) Mrd. SEK sank, landete der Nettogewinn bei 20,1 (36,5) Mrd. SEK. Vorstandschef Martin Lundstedt begründet die verhältnismäßig gute Entwicklung mit einer deutlichen Flexibilisierung bei den Kosten und den Produktionsmengen. Aus Sicht von Volvo Trucks geht es beim Wechsel hin zu einem nachhaltigeren Transportwesen zu einem Umstieg ohne große Reibungsverluste. Die angebotenen Lösungen müssen ohne fossile Energieträger auskommen und Transportunternehmer dennoch in die Lage versetzen, das erforderliche Maß an Rentabilität und Produktivität zu erreichen. Unabhängig von der Pandemie zog der Konzern 2020 tatsächlich den Produktionsstart der neuesten Lkw-Generation durch. „Das heißt, dass Volvo Trucks in Europa ab 2021 eine komplette Modellpalette batteriebetriebener Elektrofahrzeuge für den Verteilverkehr, die Abfallwirtschaft, regionale Transportaufgaben und städtische Baufahrzeuge anbietet.“
Die VW-Nutzfahrzeugtochter Traton will 2021 ebenfalls wieder auf die Überholspur wechseln. „Wir blicken optimistisch auf das Jahr 2021 und erwarten einen starken Absatzanstieg und einen erheblich steigenden Umsatz“, nachdem die Bilanz 2020 der Münchener zunächst heftige Bremsspuren aufwies. Der Jahresumsatz setzte um 16 % auf 22,6 Mrd. € zurück. Unterm Strich stand sogar ein Verlust von –124 Mio. (1,56 Mrd.) €. Dennoch sollen die Aktionäre aufgrund der angestrebten kontinuierlichen Ausschüttung zumindest eine Dividende von 0,25 (1,00) € je Aktie erhalten. Traton setzt auf einen Durchbruch der Elektro-Lkw. Bis 2025 sollen 1,6 Mrd. € für Forschung und Entwicklung ausgegeben werden.
„Die Marken der Traton Group – Scania, MAN – wollen nicht nur ihre führenden Marktpositionen in Europa und Brasilien behaupten, sondern weiteres Wachstums erzielen, durch eine Erhöhung der Marktanteile in bereits erschlossenen und durch den Eintritt in neue Märkte“, machte Traton im ES-Interview deutlich. Durch die bevorstehende Übernahme des US-Lkw-Herstellers Navistar will das SDAX-Unternehmen jetzt stärker in Nordamerika durchstarten. „Wir sind überzeugt davon, dass die Gruppe mit Navistar gemeinsam besser aufgestellt ist ... Der Zusammenschluss von Tratons starker Position in Europa und der erheblichen Präsenz in Südamerika mit Navistars Präsenz in Nordamerika bietet die Chance, ein führendes Unternehmen mit globaler Reichweite und komplementären Fähigkeiten zu schaffen.“ Abgesehen davon sollen die Marken Scania und MAN, sich stärker im chinesischen Markt etabliert werden. Dazu hat Scania beispielsweise eine Investition in eine eigene Lkw-Produktionsstätte in Rugao in der Provinz Jiangsu investiert.
Zu den ganz heißen Eisen in der Branche gehört Nikola. Das US-Unternehmen war im Juni 2020 über einen sogenannten Spac an die Börse gegangen. Das heißt, das Start-up wurde von einer börsennotierten Mantelgesellschaft übernommen. Dabei wird der E-Sattelschlepperbauer im besten Fall erst in ein paar Jahren überhaupt Umsatz erzielen. Der frühere Investor Jeffrey
Ubben, der auch im Verwaltungsrat von Nikola sitzt, räumte ein, dass der Börsengang zu früh kam. Betrugsvorwürfe und ein weitgehend geplatzter Deal mit General Motors haben dem Unternehmen, das einen Brennstoffzellen-Lkw auf die Straße bringen will, schwer zugesetzt. So musste Nikola u.a. eingestehen, dass sein Elektro-Lkw bei einer Video-Präsentation gar nicht selbst fuhr. Hier bleibt man auf Abstand (s.S.3).
Innerhalb der Lkw-Zulieferer sticht dagegen besonderes das US-Unternehmen Cummins positiv hervor, nicht nur weil man zuletzt noch eine Kooperation mit Daimler meldete. Der Motorenhersteller hat sich in den letzten Jahren im Bereich Wasserstoff bereits intelligent verstärkt (s.S.31).
Die Nutzfahrzeugbranche nimmt im Windschatten der neuen Antriebstechnologien Kurs auf die Überholspur. Jetzt in ausgesuchte Brummi-Aktien einsteigen.